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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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– kurz, bevor Georg den Gürtel festzog, den er zuvor um seinen Oberschenkel gelegt hatte, und sein ganzer Körper wie im Krampf zuckte und er einen Schrei ausstieß, der von den Wänden des Gewölbes widerhallte.
    »So«, drang Georgs Stimme mit einiger Verspätung an seinen Verstand. »Ich glaube, das war's. Und damit zu dem Grund unserer kleinen Verabredung.«
    Und dann tat er etwas, was er sonst nie tat und was in dieser Situation wirkte wie ein kalter Guss in der Mittagshitze eines heißen Tages: Er legte den Kopf nach hinten und lachte. Es war ein gutturales, ganz von innen kommendes, gleichzeitig tief zufriedenes wie auch drohendes Lachen, und es hallte von den Wänden wider, und doch schien es sich mit dem Widerhall von Wills Aufschrei zu etwas Neuem, Furchtbarem zu verbinden …
    Zumindest kam es Will so vor, der sich am liebsten die Hände über die Ohren geschlagen hätte, um das auszublenden, was er nicht ausblenden konnte.

Kapitel 36
    Will blinzelte mehrmals, und etwas lief salzig seine Wangen herab, Tränen, die der Schmerz herausgepresst hatte und für die er sich nun schämte. Als es ihm endlich gelang, die Augen wieder zu öffnen, stand Georg vor ihm, eine dunkle Gestalt, von der Taschenlampe auf eine Weise beleuchtet, wie es kein Theaterregisseur für eine bedrohlich wirkende Aufführung düsterer hätte inszenieren können. Sein Gesicht lag im Halbschatten, die linke Hälfte fast ganz im Dunkeln, die andere von einem unruhigen Geflacker beleuchtet, wenn Georg den Kopf bewegte, und ansonsten beschienen wie durch fahles Mondlicht.
    »Ich … ich fühle mich nicht gut«, presste Will mühsam hervor. Seine Stimme kam ihm fremd vor, schwach, seltsam schrill, fast greisenhaft. »Es … es wäre vielleicht besser, wenn du einen Krankenwagen rufen würdest.«
    Georg schüttelte den Kopf. »Das halte ich für gar keine gute Idee. Das verstehst du doch, oder? Schließlich haben wir unser kleines … Problem noch nicht geklärt.«
    »Welches Problem?« Will wollte weitersprechen, aber dann begann er zu husten, hart und bellend, und ihm wurde erneut schwarz vor Augen.
    »Kratz mir jetzt bloß nicht ab«, sagte Georg kalt.
    »Keine … Sorge …« Wills Stimme brach ab, und seine Augenlider begannen zu flackern.
    »Du sollst nicht abkratzen, verdammt!«, brüllte Georg. Will hörte seine Stimme nur wie durch Watte, und es war ihm, als schrecke er aus einem Albtraum hoch, um gleich wieder in einen beunruhigenden Dämmerzustand abzugleiten; jeglicher Sinn für Realität begann ihm zu entgleiten, schlimmer und umfassender als in dem schlimmsten Vollrausch, den er je erlebt hatte.
    »Reiß dich zusammen, verdammt noch mal!«, schrie Georg. Neben seinem Ohr platschte etwas laut auf, und als Will mit einer verzweifelten Anstrengung die Augen aufriss, sah er Beine neben sich auftauchen, und dann platschte ihm etwas mitten ins Gesicht, und Flüssigkeit lief ihm die Wangen hinab, und etwas tropfte auf seine Lippe und gelangte in seine Mundhöhle, noch bevor er begriff, was es war, und den süßlich-salzigen Blutgeschmack spürte.
    Mit einem Schlag rissen die dunklen Schleier um Wills Verstand auf. Sein Herz begann zu rasen. Er spürte, wie er am ganzen Leib zu zittern begann, heftiger als zuvor, aber er war unfähig, etwas dagegen zu tun. Blut, dachte er verzweifelt. Hinter seiner Stirn herrschte pures Chaos. Georg hatte ihm Blut ins Gesicht gespritzt, und etwas davon war in seinen Mund gelangt, und noch ehe er es verhindern konnte, begann er würgend zu schlucken.
    »Schon besser«, sagte Georg, ganz nah. Er hatte sich wieder in die Hocke niedergelassen, aber diesmal direkt neben seinem Gesicht. »Es wird Zeit, dass wir miteinander ganz offen reden. Und in aller Ruhe. Keine Sorge: Hier wird uns niemand stören.«
    Das, dachte Will hysterisch, ist meine geringste Sorge. Georgs Bein packen, ihn aus dem Gleichgewicht bringen, ihn hinabreißen in die Blutlache, an der er ersticken sollte, aufspringen, aus dem Gewölbe hetzen, um Hilfe rufen; die Vorstellung hatte etwas so Verlockendes, dass Will im ersten Moment gar nicht bewusst wurde, wie lächerlich sie war.
    »Der Tod ist ein merkwürdiges Ding«, fuhr Georg vollkommen ruhig fort. »Er senkt den Schatten des Vergessens über uns, er erlöst uns von all dem Übel dieser Welt. Oder fast von allem Übel. Denn eines kann er nicht auslöschen: die uralten Bande des Blutes, die Verbindung über die Jahrtausende.«
    Will hatte nicht die geringste Ahnung, wovon Georg

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