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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zweiten Mal auf ihn zusauste, gab sein Kreislauf seinen verzweifelten Widerstand auf, und er kippte weg, nicht langsam und unbeholfen wie ein Betrunkener, der den Halt verliert, sondern wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitten hatte. Dort, wo eben noch sein Hals gewesen war, fuhr die Messerklinge funkensprühend und wie nach ihrem Opfer suchend schräg über die Wand, während er selbst schmerzhaft mit dem Steißbein auf dem Boden aufschlug und der Oberkörper gleich zur linken Seite wegkippte. Er riss die linke Hand vor, um sich abzustützen, aber der glitschige Untergrund sabotierte seine Bemühungen und ließ seine Hand weiterrutschen, bis er mit dem Gesicht aufschlug; inmitten klebriger, warmer Flüssigkeit, seinem eigenen Blut, wie ein Teil von ihm mit Entsetzen registrierte.
    Rattengesicht schrie vor Wut auf und beugte sich zu ihm herab. Will sah den dunklen Schatten, aber mehr nicht. Sein Kreislauf war wider Erwarten nicht vollständig zusammengebrochen, aber er stand kurz davor, und der Aufprall tat das Übrige, um seine Orientierung im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf zu stellen. Georg schrie irgendetwas, das Will nicht verstand; es kam auch nicht darauf an. Alles, was zählte, war die blitzende, auf ihn herabzuckende Klinge in Rattengesichts Hand.
    Wie von selbst sprang Angelas Elektroschocker in Wills eigene Hand, während er sich selbst auf die Seite wälzte, schwerfällig und unbeholfen, wie es ihm schien, in Wahrheit aber wohl blitzschnell, denn er war schon halb herumgekommen, bevor Rattengesichts Messer bedrohlich nahe gekommen war. Blutspritzer drohten in Wills Augen zu rinnen, und ein schwarzer Schatten senkte sich über ihn, halb real und halb durch bevorstehende Ohnmacht verursacht. Will war in diesem Moment fast blind, und trotzdem nahm er alles mit seltsamer Klarheit, wenn auch wie durch einen Nebel, wahr. Das Erstaunlichste aber war, dass sich die Zeit zu verlangsamen schien.
    Das Messer glitt auf ihn nieder, seine Hand fuhr hoch, und ohne dass er den bewussten Befehl dazu gab, legte sich sein Finger um den Abzug und zog ihn durch. Das bläuliche Leuchten, das Einzige, was er wirklich klar und fast überdeutlich sah, traf auf die Messerklinge. Wie ein Blitz, mit dem Thor seine Feinde zerschmetterte, zischte und flirrte es über den kalten Stahl und jagte weiter empor.
    Durch den dunklen Schatten über ihm schien ein Blitzlichtgewitter zu gehen, vollkommen unmöglich angesichts der eher harmlosen Ladung, die der Elektroschocker verschoss, und die Messerklinge machte sich selbstständig, entglitt der Hand, die sie eben noch zielgerichtet nach unten geführt hatte. Hätte Will noch die Zeit dazu gehabt, hätte er sich erneut zur Seite geworfen, doch so blieb ihm nichts anderes übrig, als fassungslos zuzusehen, wie Rattengesicht doch noch sein Ziel erreichen würde, wenn auch auf ganz andere Weise, als er es geplant hatte.
    Die Zeit schien sich nicht zu verlangsamen, sie schien geradezu stehen zu bleiben, anzuhalten wie das Standbild, mit der die Siegerpose eines Boxers oder Fußballspielers für einen Sekundenbruchteil eingefroren wurde, bevor sie in normaler Geschwindigkeit weiter fortgeführt wurde. Will blieb keine Zeit mehr zum Erschrecken. Das Messer musste seinen Kopf oder seinen Hals treffen. Es war vollkommen bedeutungslos, dass die dunkle Gestalt über ihm einen schrillen, verzweifelten Schrei auszustoßen begann, die Arme in die Höhe riss und schwankte und zweifelsohne dem Messer folgen und ebenfalls auf ihn herabstürzen würde.
    Etwas zuckte hervor, von der Seite, ein dunkler Schatten wie der einer Ratte, die gekommen war, um ihre Reißzähne in den Hals ihres wehrlosen Opfers zu schlagen; aber das war nicht mehr als ein verrückter, ganz kurz aufblitzender Gedanke, denn es war etwas ganz anderes. Das Messer wurde getroffen, ein Stück zu weit oben, fast schon am Griff, um es vollständig ablenken zu können, und Will beobachtete aus schreckensweit aufgerissenen Augen, wie die Klinge in seiner Schulter aufschlagen würde. Der Fuß, der das Messer im letzten Moment beiseite gekickt hatte, knallte genau in dem Moment gegen die Wand, als sich das Messer in Wills Schulter bohrte.
    Zumindest glaubte er das, doch der scharfe Schmerz, der folgen musste, blieb aus. Die Klinge hatte etwas von seiner Haut mitgenommen, im Wesentlichen aber wohl nichts weiter als das Schulterpolster des teuren Jacketts zerfetzt, das Angela ihm gekauft hatte, und schwankte nun hin und her, genau

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