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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zitterte in seiner Hand, die Verlängerung des Schüttelfrosts, der jetzt seinen ganzen Körper ergriffen hatte, und zu allem Überfluss jagte auch noch ein scharfer Schmerz durch ihn, als er sich auf die Seite legte in dem Versuch, die klobige Waffe gleich im ersten Anlauf unter dem Jackett zu verbergen.
    Es misslang. Er musste noch zwei, drei Anläufe machen, bevor er begriff, warum er das blutbesudelte Gerät nicht in der Innentasche verschwinden lassen konnte: Sie war zugenäht. Will verfluchte die Angewohnheit, Jacketts mit vernähten Taschen zu verkaufen, damit sie sich nur ja nicht ausbeulten, bevor sie über den Ladentisch gewandert waren; und sich selbst, weil er den Verkäufer nach dem Kauf nicht angewiesen hatte, den kleinen Sicherungsfaden an der inneren Jacketttasche mit einem schnellen Schnitt zu beseitigen. Jetzt war es zu spät dafür. Er hörte Georg mit jemandem sprechen, und dann Schritte, die sich rasch und zielstrebig näherten. Er legte den Elektroschocker auf der Brustseite des beigefarbenen Hemds ab, das Angela heute Morgen für ihn ausgesucht hatte, und zupfte mit ein paar hektischen Bewegungen das Jackett zurück und über die Waffe.
    »Sie sollten doch erst kommen, wenn die Sache erledigt ist«, hörte er Georgs ärgerliche Stimme, und dann sah er auch schon zwei Schatten am Rand seines Blickfelds auftauchen, dort, wo das Grau der Wand von einem milchig weißen Lichtkegel unterbrochen war, dem einzigen Lichtfleck in dem Gewölbe, außer dem, den die Taschenlampe schräg hinter ihm auf die Wand zauberte. Einer von ihnen musste Georg sein, aber er hätte nicht zu sagen vermocht, welcher. Und vor allem war er aus seiner unglücklichen, halb vom Strahl der Taschenlampe geblendeten Position heraus vollkommen unfähig, zu erkennen, ob es sich bei Georgs Begleiter um einen Mann oder eine Frau handelte. Und doch … Er glaubte so etwas wie das Schimmern weißblonder Haare zu sehen, und auf alle Fälle erkannte er, dass die zweite Gestalt kaum größer als Georg war, der seinerseits alles andere als ein Riese war.
    Angela? Aber warum, zum Teufel, sollte sie hier auftauchen, und dann auch noch in ein vertrautes Gespräch mit Georg vertieft?
    Zu behaupten, dass er verwirrt war, wäre maßlos untertrieben. Selbst die Saat aus Georgs wirrem Gerede war in ihm aufgegangen. Vor seinem inneren Auge glaubte er eine verschwommene, weibliche Gestalt zu erkennen, mit hüftlangem, engelsblondem Haar, eine zeitlose Schönheit, auf der einen Seite altmodisch, fast archaisch wirkend in ihrer aggressiv-weiblichen Ausstrahlung; eine Kriegerin in einem ganz alten, längst vergessenen Sinne, ihre Brut beschützend, bis zum Äußersten gegen alles vorgehend, was sie und die ihren bedrohte …
    Als er begriff, dass er nahe daran war, erneut das Bewusstsein zu verlieren, war es schon fast zu spät. Mit flatternden Lidern kämpfte er darum, wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, so weit jedenfalls, wie ihm das möglich war.
    Die Schritte endeten abrupt vor ihm, und er glaubte so etwas wie ein halb überraschtes, halb entsetztes Aufstöhnen zu hören. Mit einer fast gewaltsamen Anstrengung riss er die Augen endgültig auf.
    Es stand tatsächlich jemand vor ihm, und im ersten Moment war dieser Jemand Angela für ihn, schön, hart und unbarmherzig, doch als er noch einmal blinzelte, verschwamm die Gestalt, und es schälte sich jemand ganz anderes heraus …
    Jetzt war es Will, der ein ersticktes Stöhnen ausstieß. »Wie …« Er schüttelte den Kopf, soweit ihm das möglich war und ohne darauf zu achten, dass seine Wangen dabei in die klebrige, fast vollkommen erstarrte Flüssigkeit eintauchten, »wie … wie sind Sie … Sie müssen tot sein! … Ich habe doch selbst gesehen …«
    »Georg!« Der Mann, der vor ihm stand, hatte nichts, aber auch gar nichts mit Angela gemein. Er hatte graue, kurz geschnittene Haare, ein Gesicht, in das sich die Lebenserfahrung mit tiefen Kerben eingegraben hatte, so dass er zweifellos älter wirkte, als er war, und eine tiefe, noch nicht vollständig verheilte Schramme am Kinn, die er dennoch nicht mit einem Pflaster überklebt hatte. Er sah müde und erschöpft aus, und auf seiner Stirn perlten Schweißtropfen, so als wäre es draußen entweder richtig warm – Wärme! Der pure Gedanke daran ließ Will erneut aufstöhnen – oder als hätte er es besonders eilig gehabt, hierhin zu kommen.
    »Sind Sie vollkommen ausgerastet?« Der Mann hatte sich halb zu Georg umgewandt, so dass Will

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