Feuer: Roman (German Edition)
nicht nur die Asen gedemütigt, er hat nicht nur den Sohn des Hreidmar getötet und Thor gedemütigt, er hat auch das Feuer verwandelt, das Thor mit seinen Blitzen auf euch schleuderte, er hat es mit etwas verbunden, das selbst noch älter ist als er selbst: dem Drachenfeuer.«
»Davon weiß … ich … nichts«, quetschte ich mühsam hervor. »Ich bin nichts weiter als Wayland, der Schmied … «
»Ja, du magst Wayland sein«, sagte der Wolfsgesichtige scharf »Aber weißt du, wer ich bin?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe nicht … die geringste Ahnung.«
»Mein Name ist Fenrir«, sagte der Wolfsgesichtige. »Und als mein Vater gilt Loki, und es heißt … «
»… er habe mit Angrboda zusammen einen Wolf gezeugt.« Meine Hand, die den Mechanismus fast erreicht hatte, verharrte einen Moment zitternd. Natürlich kannte ich die grausige Geschichte Fenrirs, des Dämons in Wolfsgestalt, und auch die Gräueltat, die man ihm zuschrieb, nämlich dass er die Hand von Odins Sohn Tyr abgerissen und gefressen haben sollte wie zum Auftakt, die Götter selbst zu verschlingen. Das Schlimmste aber war nicht seine Vergangenheit, sondern das, was ihm die Nornen prophezeit hatten: Es hieß, er würde einst ein Zeitalter der Zerstörung einleiten, in dessen Verlauf er den Göttervater Odin zerreißen und so die Welt der Zerstörung anheim fallen lassen würde.
Die Puzzlesteine der alten germanischen Mythologie wirbelten durch Wills Kopf, ohne dass er sie ordnen konnte. All die alten Geschichten hatte er immer und immer wieder gehört, als kleines Kind auf einem dicken Teppich in einem großen, sonnendurchfluteten Zimmer sitzend, während er mit Drachen- und Götterfiguren gespielt hatte. Sein Vater war noch immer gesichtslos für ihn, aber er glaubte seine Stimme zu hören, den rauen, fast melodischen Singsang, mit dem er ihm von Göttern, Riesen und Dämonen erzählt hatte, die charakteristische Stimme, die ihn die ganzen letzten Jahre begleitet hatte, ohne dass er sie bislang hatte einordnen können. Es mussten Dutzende, wenn nicht Hunderte von Malen gewesen sein, in denen ihm sein Vater von dem erzählt hatte, was den Verlauf der altgermanischen Welt bestimmt hatte, und während andere Kinder Janosch-Geschichten vorgelesen bekamen oder auch die alten Grimm'schen Märchen, war seine Kindheit ausschließlich mit der absonderlichen und grausamen germanischen Götterwelt bevölkert gewesen.
»Wirst du tun, was ich von dir verlange?«, flüsterte Georg Will ins Ohr und mitten hinein in seine frühkindlichen Erinnerungen. »Wirst du mir den kleinen Gefallen tun, für den ich dir das Leben deiner Tochter schenke?«
Will starrte hinaus in das Wallen, das Duffy fast gänzlich verschlang, hinweg über den Ort, an dem so viele Mythen ihren Ursprung hatten, von Loki, dem listenreichen Feuerbringer, von Thor, der mit seinem Schmiedehammer Blitze zu schleudern vermochte, und von Wayland, dem Schmied, dessen Schicksal so eng mit seinem eigenen verbunden war.
»Vor mir waren schon andere hier«, fuhr Fenrir, der Wolfsgesichtige, fort. »In Niduds Auftrag haben sie die Wälder durchstreift auf der Suche nach dir. Sie wollten dich feige im Schlaf überwältigen, um zu rächen, was du Nidud angetan hast.«
»Aber du … «, ich hustete qualvoll, »du bist nicht gekommen, um Niduds Rache an mir zu vollziehen?«
»Das, was zwischen Nidud und dir ist, geht mich nichts an.« Die Augen des Wolfsgesichtigen funkelten bösartig. »Es geht mir um mehr, um sehr viel mehr.«
»Du willst mir mein Geheimnis entreißen«, sagte ich rau. »Nur dumm, dass es gar kein Geheimnis gibt … «
»Das gibt es tatsächlich nicht«, zischte Fenrir. »Denn ich weiß alles über dich, Schmied. Ich weiß, was du hier getrieben hast die letzten Jahre, und woher die Kraft kommt, deren du dich bedienst. Doch jetzt ist Schluss damit. Jetzt wirst du mir aushändigen, was ich brauche, um das Erbe Lokis anzutreten. Die eine einzige, die winzige Kleinigkeit, die mir noch fehlt.«
»Von welcher Kleinigkeit sprichst du?«
»Bist du taub? Hast du nicht vernommen, was ich die ganze Zeit über schon von dir verlangte?« In Fenrirs Augen funkelte kalte Gier. »Wir alle wissen doch, weswegen du gerühmt wirst, Schmied.«
»Ja«, sagte ich voll sinnlosen Trotzes. »Wegen meines Schwertes. Wegen Mimung.«
»Das mag wohl sein«, sagte Fenrir leichthin. »Aber nicht das ist es. Sondern der eine, der fehlende Schlangenring, wegen dem du in Streit mit Nidud und seinen Najaren
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