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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hoffnungen und Wunschträume oft wild durcheinander gehen. Jeder, der über die Gabe verfügt, muss sich dessen bewusst sein – um der Verlockung des Feuers zu widerstehen, wenn die Gefühle zu sehr in Wallung geraten.«
    Will machte einen Seitwärtsschritt auf die Treppe zu. Auch sein anderer Fuß tauchte in das fast kochende Wasser ein, und er musste wild mit den Armen rudern, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    »Du bist dazu nicht fähig«, brüllte ihm Georg hinterher. »Du bist ein Nichts, ein erbärmlicher Schwächling. Deswegen hat dich dein Vater versteckt. Und deswegen wirst du nie lernen, mit dem Drachenfeuer umzugehen und seine Kraft zu bändigen, ohne andere und dich selbst in Gefahr zu bringen.«
    Die Konsequenz von dem, was Georg gerade gesagt hatte, erreichte durchaus Wills Verstand. Aber sie blieb ohne Nachhall. Er hatte anderes zu tun. Er musste die Treppe erreichen. Er musste Schritt für Schritt nach oben klettern – und wenn nötig, auch auf allen vieren kriechen –, dann Duffy befreien und sie irgendwie hier herausbugsieren.
    »Wo hast du es, Will?«, fragte Georg schneidend. »Wo hast du das fehlende Glied der Schlangenkette?«
    Georg schien vollständig auf die Schlangenkette fixiert zu sein. So ein Idiot. Er sollte machen, dass er hier wegkam. Was nutzte ihm der uralte Reif, wenn er hier unten gegrillt wurde?
    »Ich war der festen Überzeugung, dass du es als Amulett tragen würdest«, sagte Georg. »Als ich dir gestern Nacht befahl, deine Kleidung abzulegen, habe ich erwartet, es auf deiner Brust baumeln zu sehen. Aber da war nichts.«
    Mühsam watete Will auf die erste Stufe zu. Es war glitschig unter ihm. Jede Bewegung konnte die letzte sein, denn wenn er in das blubbernde Wasser fiel, würde er gegart werden wie ein Hummer im Kochtopf.
    »Ich konnte ja verstehen, dass du es versteckt hast, bevor du mit einer meiner Nutten ins Bett gegangen bist«, rief ihm Georg hinterher. »Ich habe deine Kleidung durchsuchen lassen, ich habe mir die Videos immer wieder angesehen, die ich schießen ließ, als du mit Nadine in den Whirlpool gestiegen bist.« Georg lachte heiser auf. »Und gleichzeitig haben sich meine Jungs in deiner erbärmlichen Wohnung umgesehen und deine lächerliche Drachensammlung durchstöbert.«
    Nadine? Der Name sagte ihm fast nichts mehr, war mit nichts weiter verknüpft als mit einem netten Gesicht und einem makellosen Körper. Das verletzte Bein hochzuziehen, den Fuß in Richtung des ersten Absatzes zu bewegen und gleichzeitig zu verhindern, dass er das Gleichgewicht verlor und umkippte, mitten in die kochende Brühe unter ihm hinein – das war fast mehr, als Will ertragen konnte, und es forderte seine komplette Konzentration.
    »Ich musste ja vorsichtig sein.« Der Klang von Georgs Stimme veränderte sich, und als Will halb den Kopf drehte, um zurückzublicken, sah er, dass er, umsichtig bemüht, dem Wasser nicht zu nahe zu kommen, in seine Richtung losging. »Du bist ein gefährlicher Mann, Will. Dein Misstrauen zu erregen hätte vielleicht bedeutet, dass du dich an gewisse Dinge wieder erinnert hättest. Und wie leicht hätte es da sein können, dass die Kraft geweckt wird, die doch viel eher in meinen Besitz gehört als in deinen.«
    Will wusste nicht, ob Georg scherzte oder nicht, und es war ihm auch egal. Georg war sowieso vollkommen durchgeknallt. Nach allem, was er verstanden hatte, hatte er ganz absichtlich diese Katastrophe hier unten provoziert. Und das alles nur, um an einen lächerlichen Schlangenring zu kommen, von dem er sich offensichtlich die Kontrolle über das Drachenfeuer versprach.
    Er nahm sich den nächsten Absatz vor. Die unebenmäßige, eingerissene Steinplatte erschien ihm unendlich weit entfernt zu sein, und das Hämmern in seinem Kopf und der beißende Schmerz in seinen Lungen machten es ihm fast unmöglich, auch nur einen Fuß an den anderen heranzuziehen. Mühsam drängte er die Panik zurück, die seine Gedanken in einen schwarzen, sich immer schneller drehenden Strudel zu reißen drohte.
    »Dein Vater hat dir den einzigen noch existierenden Schlangenring vererbt«, sagte Georg. »Er musste sichergehen, dass du ihn immer – oder zumindest fast immer – bei dir trägst. Doch wo? In all den Jahren habe ich das Rätsel nicht lösen können. So blieb mir nichts anderes übrig, als dich hierhin zu bringen. Zusammen mit deiner Tochter. Denn nur dann, das war mir klar, würde der emotionale Druck entstehen, der dich dazu bringen würde, mir

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