Feuer: Roman (German Edition)
die Chance war, auf die er und die Seinen die ganze Zeit über gewartet hatten.«
Ganz nah war jetzt der Knick, und Will wurde von Schritt zu Schritt sicherer. So etwas wie ein tiefer, wütender Triumph explodierte in ihm. Er war noch nicht geschlagen, noch lange nicht.
»Ich glaube, du hast mich nicht ganz verstanden«, donnerte Georg. »Du bist kein Abkömmling von Wayland, dem Schmied. Du bist ein Nachfahre der Verräterin Eimyrja.«
»Stirb!«, schrie Fenrir. »Und sei verdammt für alle Ewigkeit.«
Im ersten Moment verstand ich nicht im Geringsten, was er meinte. Ich war ganz eindeutig im Vorteil. Fenrirs Kurzschwert polterte zu Boden, schlug funkenschlagend auf dem Boden auf und schlitterte ein paar Schritte weiter; viel zu weit, als dass er es noch mit einer schnellen Bewegung hätte erreichen können. Ich riss beide Hände hoch, um den Hals des Wolfsgesichtigen mit meinen starken Schmiedehänden zu packen, um ihn so lange zu würgen, bis er mir Idas Versteck preisgab … als die Wolfsköpfe auf den Schulteransätzen seines Fellumhangs von einem Moment auf den anderen zu grausigem Leben erwachten. In ihren Augenhöhlen brannte ein gieriges, rot leuchtendes Feuer, ihre Mäuler waren weit aufgesperrt, schnappten nach mir, ihre Gebisse schlugen aufeinander, dicht, haarscharf vor meinen Fingern, und dann drängte Fenrir vorwärts, und die beiden zum gespenstischen Leben erwachten Totenschädel, die Jungwölfe, setzten mir nach.
Die beiden Wolfsschädel schnappten nach Will. Das war keine Erinnerung an die Geschichten, die ihm sein Vater in frühen Jahren immer und immer wieder erzählt hatte, das war blanke, erschreckende Realität. Die Gebisse klappten direkt vor seinem Gesicht zusammen, schlugen so krachend aufeinander, dass Will gellend aufschrie und um ein Haar einen Schritt zurückgestolpert wäre. Das glosende Feuer in den Augenhöhlen der Wölfe veränderte sich, wurde zu etwas Gleißendem, zu einem abgrundtief bösen Funkeln, dem entfesselten Willen, zu töten und zu zerreißen. Im selben Moment setzten sie ihm auch schon nach, sprangen ihn an wie ausgehungerte, überreizte Raubtiere.
Der Anblick brachte Will um den letzten Rest klaren Verstandes. Er ruderte wild mit den Armen, um sein Gleichgewicht zu halten, um nicht hinabzustürzen in die kochende Glut in der Senke, in der einst die Schmiede gestanden hatte. Aber es war vergebens. Sein rechter Fuß hing plötzlich über dem Nichts …
»Feuer bekämpft man mit Kälte, mit Eis«, brüllte Georg. »Waylands Schwester Eimyrja hat das gewusst. Deshalb hat sie auf die kälteste, die härteste Zeit des Winters gewartet, um ihren Plan zu verwirklichen.«
Die zuschnappenden Wolfsgebisse verfehlten mich nur um Haaresbreite. Mein Hinterkopf prallte gegen das harte Gestein des Ganges, und für die Dauer eines Lidschlags wurde mir schwarz vor Augen …
und dann erwachte meine Wut in einer einzigen, in einer schrecklichen Explosion. Ohne jeglichen Ansatz spürte ich die feurige Kraft, die in mir war, nur wenige Schritte von dem Drachenfeuer entfernt, das ich mir in meiner unterirdischen Schmiede nutzbar gemacht hatte …
Und Will durchzuckte ein Schreck, als er begriff, dass da gar nichts vor ihm war, jedenfalls nicht die Totenschädel zweier junger Wölfe, die nach ihm schnappten, sondern allenfalls außer Rand und Band geschlagener Funkenflug. So plötzlich, wie die Wolfsschädel vor ihm aufgetaucht waren, waren sie nun auch wieder verschwunden, und vor ihm war nichts weiter als der felsige Aufstieg, der ihn zu Duffy bringen sollte.
Es war fast zu spät. Mit einer verzweifelten Anstrengung ließ er sich nach links fallen, in die Felswand hinein, weg von der Senke, weg von der Schmiede und dem Feuer, das darin kochte.
Die Waffe, die der Wolfsgesichtige plötzlich in der Hand hielt, war mit nichts vergleichbar, was ich bislang gesehen hatte. Kalt glitzernd, fast weiß, mit einer Klinge, geschliffen wie eine seiner besten Waffen und doch vollkommen anders.
»Ein Messer aus Eis!«, schrie Fenrir. »Das ist der Liebesgruß deiner Schwester.«
Ich riss die Hände herab, auf die Waffe zu, ich wollte das Handgelenk des Wolfsgesichtigen umklammern, wie es mir schon einmal gelungen war. Aber ich verfehlte es.
Das Messer aus Eis traf mich, durchstieß das Fell, das mich vor der unerbittlichen Kälte hatte schützen sollen, so tödlich scharf war es, und stieß in meinen Bauchraum vor. Ich stieß einen erstickten Schrei aus. Es war pure Kälte, die sich in
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