Feuer: Roman (German Edition)
die Pistole weg und holte etwas silbern Glänzendes hervor. Winzige Feuerpartikel stoben auf, als er das Messer in die Höhe reckte, Will entgegen, und blutrotes Licht spiegelte sich auf der Klinge. »Eigentlich war es gar kein Problem. Ich war ja in Übung, sozusagen. Kaum hatte ich Martina das Herz aus dem Leib geschnitten, brach Angela endgültig zusammen.«
Will blieb vollkommen regungslos sitzen. Er starrte Georg an, wortlos, endlos. Das Begreifen schien zuerst in seine Fingerspitzen zu fließen und von dort aus wieder zurück in seinen Körper.
»Nimm dieses Messer und schneid dir den Fuß ab«, sagte Georg. Seine Stimme war wieder leiser geworden, aber der böse Triumph war nicht daraus verschwunden. »Die Klinge ist so scharf, dass es dir keine große Mühe bereiten sollte.«
Will rührte sich immer noch nicht. Er dachte an Fred, an die ausgeweidete Leiche des Mannes, der Georg jahrelang treu ergeben gewesen war, und dabei sah er Martinas Gesicht vor sich. Er sah sie vor sich stehen, so wie er sie das erste Mal gesehen hatte, in der Wartehalle eines Autovermieters, er sah sie sich umdrehen und ihn anlächeln, scheu und stark zugleich, ein Lächeln, in das er sich gleich verliebt hatte. Er sah sich mit ihr Hand in Hand vom Bahnhof in Richtung Kölner Dom wandern, er sah sie sich gegenüber, mit einem Eisbecher in der Hand in einem Straßencafé in der Altstadt, er sah sie vor sich stehen und ihn spöttisch und doch gleichzeitig liebevoll mit einem temperamentvollen Funkeln in den Augen mustern und ihn im nächsten Moment spielerisch mit der Hand anstupsen und in Richtung Bett dirigieren, er sah sie, er spürte sie, er liebte sie …
Ein tiefer Schrei wollte sich seiner Brust entringen, aber er kam nicht. Es war so, als sei alles Gefühl in ihm erstorben, und als würde er nie wieder in der Lage sein, etwas zu empfinden.
»Dein Vater war wirklich ein bemerkenswerter Mann«, sagte Georg. »Er hat ganz anders für dich vorgesorgt, als ich das vermutet hatte. Und das Versteck für den Schlangenring ist wirklich genial.« Er machte einen weiteren Schritt nach oben, kickte etwas Brennendes davon, das ihm im Weg war, und hielt Will weiterhin das verfluchte Messer hin, noch mit der Klinge voran, als könne er sich nicht entscheiden, ob er damit Will bedrohen oder ob er es ihm wirklich aushändigen wollte. »Er hat den Ring über dein Fußgelenk geschoben, als du noch ein kleines, brabbelndes Kind warst. Du bist schnell gewachsen, und die ganze Zeit über war der filigrane, zartgliedrige Schlangenring da – bis er schließlich in dich eingewachsen ist. Aber ich denke, zumindest das weißt du. Eine ringförmige Geschwulst um das Fußgelenk ist ziemlich ungewöhnlich.«
Natürlich wusste Will, dass er da etwas hatte, was andere nicht hatten. Aber er hatte sich nie darüber Gedanken gemacht. Die Geschwulst war kaum zu sehen und noch nicht einmal bei medizinischen Untersuchungen aufgefallen, und im Laufe der Jahre hatte er sie einfach vergessen – bis auf die wenigen Momente, in denen ein scharfer Schmerz durch seine Wade direkt oberhalb des Knöchels gerast war und ihn zum Humpeln gebracht hatte.
»Ich hoffe, du wirst jetzt keinen Unsinn machen, wenn ich dir das Messer aushändige.« Georg wischte sich mit einer nachlässigen Bewegung der Hand Dreck und Ruß von der Schulter und machte einen weiteren Schritt auf Will zu. Sein Gesicht befand sich jetzt auf gleicher Ebene wie das Wills. »Denk an Duffy. Noch ist sie am Leben. Wie lange das noch sein wird, hängt ganz von dir ab.«
Will versuchte etwas zu sagen, aber es kam nur ein krächzender Laut über seine Lippen.
»Ich würde ihr ungern das Gleiche antun wie Fred oder wie Martina.« Georg beugte sich vor, und sein Gesicht war jetzt ganz nah an dem Wills. »Es muss fürchterlich sein, zu spüren, wie sich die Messerspitze ins Gewebe bohrt, und bei vollem Bewusstsein mitzubekommen, wie die Klinge tiefer und tiefer in den Brustraum vorstößt.«
Will spürte, wie ihn etwas mit sich fortriss. Ein Beben ging durch ihn, eine Erschütterung, die ihn von den Füßen gerissen hätte, hätte er gestanden, und etwas in ihm bäumte sich auf, mit einer Urgewalt, auf die er keinen Einfluss hatte und die alles sprengte, was je an Skrupeln oder bewussten Gedanken in ihm gewesen war.
»Erinnerst du dich an das blutende Herz, das ich dir als Präsent mitgebracht habe? Und willst du wissen, warum ich das alles getan habe …«
In Georgs Augen war plötzlich ein dämonisches
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