Feuer und Eis
gegangen.
Wenn das kein Wink des Schicksals war, dann wusste sie es auch nicht.
Karin hatte noch nie in ihrem Leben etwas gestohlen. Ja, sie hatte nicht einmal daran gedacht. Aber jetzt schoss ihr genau dieser Gedanke durch den Kopf. Herzukommen war ein spontaner Entschluss gewesen. Sie hatte den Eigentümer anflehen wollen, ihr vielleicht einen Blick auf die Rose zu gewähren. Geld, sie zurückzukaufen, besaß sie nicht. Matthew hatte alles ausgegeben, bevor ihr überhaupt klar wurde, dass sie Rose fehlte.
Und jetzt stand sie hier, hielt die Kostbarkeit in den Händen, und dieser Mann hatte keine Ahnung, wer sie war.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Was sollte sie tun?
Die Rose gehört meiner Familie, überlegte Karin fieberhaft. Sie war der Besitz ihres Großvaters. Und dieser griechische Milliardär hatte sie in einer blöden Auktion ersteigert! War mit seinen Säcken voll Geld gekommen und glaubte, daraus das Recht ableiten zu können, sie zu besitzen und auszustellen … Nein, die Rose gehörte ihm nicht!
Zu ihrer Rechten befand sich ein Notausgang. Dummerweise lag ihr Mantel an der Rezeption.
Es ist doch bloß ein Mantel! Ihre Gedanken rasten. Ein Schweißtröpfchen perlte zwischen ihren Brüsten entlang, als sie langsam auf die Tür zu schlenderte. Bestimmt wusste jeder in der Lounge, was sie vorhatte. Unauffällig schaute sie sich um. Niemand regte sich, alle verhielten sich ganz normal. Mit einem letzten verstohlenen Blick gab Karin sich zum zweiten Mal an diesem Tag einer spontanen Eingebung hin.
Sie drückte die Tür auf und trat ins Freie. Kühle Luft traf auf ihre glühenden Wangen. Karin rannte los. Angetrieben von Schuld und Scham rempelte sie die entgegenkommenden Passanten an, trat in Pfützen, dreckiges kaltes Wasser spritzte auf ihre Strumpfhose. Ihre Lungen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment platzen. Plötzlich explodierten Sterne in ihrem Kopf, als ihr Lauf ein abruptes Ende fand. Starke Arme schlangen sich um ihren Leib und rissen sie zu Boden.
Der Mann, der sie zu Fall gebracht hatte, fragte: „Wohin wollen wir denn so eilig?“
Karin wusste sofort, wer er war: der Kapitän der englischen Rugbymannschaft. Sie betete inbrünstig, er würde sie nicht wiedererkennen. Starr vor Schreck blieb sie liegen. Laufmaschen zierten ihre Strümpfe, eine Schürfwunde am Knie blutete leicht. Grob zog der Kapitän sie auf die Füße. Sie glaubte zu spüren, wie ihr Großvater sich im Grab herumdrehte, weil seine Enkelin, auf die er immer so stolz gewesen war, von einem seiner geliebten englischen Spieler im Polizeigriff ins Hotel zurückgeführt wurde.
Es war der peinlichste Gang ihres Lebens. Aber weil es Xante Rossis Hotel war, wurde der Zwischenfall zumindest mit einer gewissen Diskretion behandelt. Sogar einem gewöhnlichen Dieb wurde ein Rest Würde zuteil.
Ihr blieb die Schande erspart, ihr Vergehen vor aller Augen im Foyer diskutieren zu müssen. Stattdessen wurden sie und der Mannschaftskapitän in ein Büro geführt. Während jemand die Tür hinter ihr schloss, hörte sie in der Ferne schon das Aufheulen von Polizeisirenen. Der Hoteldirektor starrte sie finster an, der Kapitän musterte sie verächtlich.
„Es ist nicht so, wie es aussieht“, krächzte sie, wobei sie die Rose noch immer fest umklammert hielt.
„Ich würde sagen, es ist genau so, wie es aussieht“, erwiderte der Kapitän.
„Warten wir doch einfach auf die Polizei“, meinte der Direktor höflich.
Xante hingegen bekam von den Ereignissen kaum etwas mit. Während er mit seinen Gästen plauderte, bemerkte er nur eine gewisse Unruhe in der Lobby. Stirnrunzelnd schaute er zu Albert hinüber, als ihm auffiel, dass die Unbekannte fort war. Dabei dachte er allerdings nur an die Frau, nicht an das Schmuckstück.
Und dann hatte Albert ihm diskret die Neuigkeit zugeflüstert.
Xante kochte vor Wut.
Nicht nur wegen des Diebstahls, nicht wegen der Frau, sondern wegen sich selbst.
Er las in Frauen wie in offenen Büchern. Schon als Jugendlicher hatte er seine Erfolge genossen. Und nach der Trennung von Athena hatte er seine Fähigkeiten perfektioniert, fest entschlossen, sich nie wieder so täuschen zu lassen. Doch Karin Wallis war genau das gerade gelungen.
Er würde sie anzeigen! Mit einem Gesicht gleich einer Gewitterwolke stürmte er, ohne anzuklopfen, in das Büro des Hoteldirektors. Er würde dafür sorgen, dass sie die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekam. Schauen wir mal, wie damenhaft sie
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