Feuer und Eis
wieder einschlief. Dabei legte er, wie er es immer tat, eine Hand auf ihre linke Brust.
Nur diesmal war sie unbedeckt.
Karin spürte, wie seine Hand sich eine Sekunde versteifte. Sie fragte sich, was er tun würde. Was würde er sagen? Oder schlimmer noch, würde er so tun, als falle ihm überhaupt nichts auf?
Sie griff nach seiner Hand und führte sie zu der Narbe. Dann wandte sie den Kopf ab. Es war leichter, ihn nicht anzusehen, während er zum ersten Mal die Blessuren ertastete.
„Darf ich sie sehen?“
Sie nickte. Sie erlaubte ihm sogar, die Nachttischlampe einzuschalten. Tränen schimmerten in seinen Augen. Und dann küsste er die verletzte Haut. Küsste all den Schmerz und die Qual fort. Könnte Liebe einen Makel ausradieren, wäre er nun verschwunden.
„Was dir passiert ist, tut mir unendlich leid. Aber der Unfall hat dich auch zu dem gemacht, was du bist, Karin. Eine starke Frau.“
„Ich weiß.“
„Du bist wunderschön.“
„Bin ich nicht.“
„Doch“, sagte Xante. „Auch dein Großvater trug Narben. Hast du ihn deswegen weniger geliebt?“
„Nein.“
„Sie haben seine Geschichte erzählt. Deine Narbe erzählt die deine.“
Seine Finger fühlten sich angenehm kühl auf dem vernarbten Gewebe an. Einerseits kam es ihr sehr seltsam vor, völlig nackt zu sein. Doch sie genoss das neue Gefühl.
„Sie …“ Karin räusperte sich. „Die Narbe stößt dich nicht ab?“
„Hey, du sprichst mit einem griechischen Jungen.“ Xante hob ihre Arme über ihren Kopf und hielt sie an den Handgelenken fest, während er stürmisch ihre Lippen küsste. „Nicht mit so einem verweichlichten Möchtegernoffizier …“
Sie lachte und weinte und spielte das dumme Ringerspielchen, bei dem sie vorgeblich versuchte, sich zu befreien. Dabei bemerkte sie erst nach geraumer Weile, dass aus dem schrecklichen Berg, den sie sich immer vorgestellt hatte, kaum mehr ein Maulwurfshaufen übrig geblieben war. Ihre Narbe bedeutete gar nichts … sie war nur ein Teil von ihr, den Xante schon vor langer Zeit akzeptiert hatte. Und ganz offensichtlich beeinflusste sie seine Leidenschaft nicht im Geringsten, denn sie spürte seine Erektion an ihrem Schoß – wie jeden Morgen.
„Kann dich denn gar nichts aufhalten?“
„Nein.“ Xante grinste. „Also solltest du dich besser daran gewöhnen.“
Sie setzte zu einem gequälten Seufzer an, musste aber zu sehr lachen, um ihre angebliche Pein glaubwürdig über die Lippen zu bringen.
„Ich liebe dich, Karin.“
Kein Spiel, kein Scherz. Er liebte sie – so einfach und kompliziert war das.
Und die anderen Lektionen der Liebe wollte sie voller Wissbegierde ihr Leben lang lernen.
– ENDE –
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