Feuer und Glas - Der Pakt
sich endlich ein.
Sie liebte ihn, und wenn es tausendmal verboten war.
Milla wusste nun, was sie zu tun hatte: Das, wovor sie die größte Angst gehabt hatte.
Jetzt gab es kein Zögern mehr: Alles, alles würde sie tun, um ihn zu retten!
Sie beugte sich tiefer über ihn, presste ihre Lippen auf seinen Mund. Sofort fühlte Milla, wie er ihren Atem zu trinken schien. Er sog sie ihn sich hinein, während sie spürte, dass aus ihr immer mehr Kraft entwich. Trotzdem hörte sie nicht auf, stieß zart und gleichzeitig kraftvoll Luft in Lucas Mund, bis seine Wangen langsam wieder Farbe annahmen.
Dann schlug er die Augen auf. Um seinen Kopf zeigte sich ein zarter blauer Hauch.
»Ich habe dich gewarnt«, flüsterte er. »Du Meisterin des Feuers!«
Der klägliche Versuch eines Lächelns, der sie rührte.
»Dein stürmisches Wasser hat mir auch ganz ordentlich zugesetzt«, erwiderte sie vor Schwäche zitternd. »Mit tausend gierigen Fingern hat es nach mir gegriffen, um mich auf den Grund zu zerren. Aber ich musste doch zu dir!« Milla musterte ihn besorgt. »Kannst du dich aufsetzen?«
»Ich will es versuchen.«
Gemeinsam stützten sie sich, bis sie Schulter an Schulter im glitzernden Sand saßen.
»Schau«, sagte Milla. »Die Gondel hat unsere Farben angenommen!«
Die gläserne Gondel lag ein Stück entfernt von ihnen. Der Bug war leuchtend blau, das Heck schimmerte in glühendem Rot. Am schönsten jedoch war der Mittelteil, wo Rot und Blau zu einem strahlenden Violett ineinanderflossen.
»Wir müssen sie nach Hause bringen«, sagte Luca. »Jetzt haben wir es beinahe geschafft.«
Milla folgte seinem Blick.
»In jenes Gebäude dort hinten, das wie ein riesiges Schneckenhaus aussieht?«, fragte sie. »Was erwartet uns dort? Ich habe Angst!«
Luca umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, so behutsam, als sei sie eine kostbare Blume. »Du hast mir das Leben gerettet und mir deine Feuerkraft gegeben. Nun gebe ich dir meine Wasserkraft zurück.«
Bevor Milla fragen konnte, was er damit meinte, zog er sie ganz nah an sich heran und küsste sie.
Der zweite Messdiener reichte dem Patriarchen den goldenen Weihwasserwedel. Er hob ihn über die Köpfe der Anwesenden und besprengte sie.
»Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein«, rief er. »Ich reinige euch von aller Unreinheit. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.«
Viele der Gäste bekreuzigten sich. Andere legten die Hand auf das Herz und schlossen die Augen.
Für ein paar Momente herrschte andächtige Stille.
Dann winkte der Patriarch den Pagen mit dem Samtkissen näher heran. Sei es, weil er es ganz besonders gut machen wollte, sei es, weil ein Stuhl ihm im Weg stand – der Junge stolperte und stürzte vornüber. Das Kissen fiel zu Boden.
Der Dogenring rollte quer über das Deck.
Ein Schrei wie aus einer einzigen Kehle.
Niemals zuvor hatte es einen derartigen Zwischenfall gegeben!
Doge Loredan sprang wutentbrannt auf.
»Hol sofort den Ring zurück!«, bellte er. »Wie kann man sich nur derart ungeschickt anstellen?«
Unter Flüstern und Murmeln der Anwesenden kroch der Page mit tiefrotem Kopf über das Deck, hob den Ring auf und legte ihn zitternd zurück auf das Samtkissen, das inzwischen jemand vom Boden aufgenommen hatte.
Der Patriarch schien zu zögern. Würde er mit der Zeremonie fortfahren? Erst ein herrisches Nicken des Dogen schien ihn zu überzeugen.
Er räusperte sich, dann besprengte er den Ring.
»Die Gabe des Bräutigams an das Meer, damit es für uns und für alle, die es befahren, ruhig und still sein möge.«
Nun öffnete er die Kapsel des Wedels, trat erneut zum Fenster und übergab den Rest des geweihten Wassers den Wellen.
Marco erreichte das Haus am Rio Paradiso vom Kanal aus. Die drei Werftarbeiter, an deren Seite er seit Stunden verbissen und emsig Sprengsätze in San Marco entsorgt hatte, schickte er zu Marin nach Dorsoduro zurück.
Als er den Garten betrat, kam ihm Ysa entgegen.
»Schnell!«, rief er. »Wir müssen alles durchsuchen. Der Admiral hat in der ganzen Stadt Schwarzpulver verstecken lassen. Er will Venedig in die Luft sprengen, damit es nicht in die Hände der Feinde fällt.«
»Bist du ganz sicher?«, fragte sie entsetzt.
Er streckte ihr seine schmutzigen Hände entgegen.
»Die Spur des schwarzen Feuers«, sagte er. »Einen Großteil konnten wir zum Glück bereits unschädlich machen, doch in Cannaregio und Castello ist es zu einigen Detonationen gekommen.
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