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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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allerdings war die Zahl der Venezianer, die sich das Spektakel vom Ufer aus nicht entgehen lassen wollten, überschaubar. Viele Stadtbewohner waren zu Hause geblieben, um Gefallene und Gefangene zu betrauern. Andere hatten noch immer mit dem Brand und seinen furchtbaren Folgen zu kämpfen.
    Über allen Bürgern Venedigs – ob anwesend oder zu Hause geblieben – schwebte jedoch das schwarze Gespenst der Angst. War heute das letzte Fest, das die einstmals so stolze Serenissima in Freiheit feiern konnte?
    Loredan, im goldenen Brokatumhang und mit dem Dogenhorn auf dem Kopf, gab sich alle Mühe, die angespannte Stimmung zu überspielen. Doch nicht einmal die Mitglieder seines engsten Gefolges ließen sich davon täuschen.
    Während im Deck tiefer die Ruderer an den Riemen schwitzten, wurden den annähernd hundert geladenen Gäste im mit rotem Samt ausgeschlagenen Prunksaal Getränke und seltene Köstlichkeiten gereicht. Senatoren waren darunter, Ratsherrn und nobili , die Angehörigen der vornehmsten Familien. Durch die offenen Fenster kam eine leichte Brise, die die ungute Stimmung an Bord jedoch nicht zu vertreiben vermochte.
    »Sieht er nicht aus wie eine geschminkte Leiche?«, flüsterten die einen.
    »Seinen Dogenthron wird er bald räumen müssen«, entgegneten die anderen.
    »Venedig braucht einen jüngeren, entscheidungsfreudigeren Anführer.«
    »Nie zuvor war der Bucentauro überladener und der Doge erbärmlicher. Wenn Loredan nicht freiwillig abdankt, wird man um den Schierlingsbecher auf Dauer nicht herumkommen.«
    Dennoch klatschten alle Beifall, als Musik erklang. Flöten, Gamben, Sackpfeifen und Trompeten strengten sich an, eine Fröhlichkeit vorzutäuschen, die niemand empfand.
    Auch in den Prunkgondeln, die der Staatsgaleere folgten, herrschte Niedergeschlagenheit. Wohlhabende Kaufleute waren an Bord, Vertreter der Bruderschaften, Kleriker. In anderen Jahren hatten sich die Arsenalotti um das Privileg geschlagen, den Bucentauro an diesem Tag zu begleiten; heute waren sogar Plätze freigeblieben.
    Ein wenig hob sich die Stimmung, als die Bucentauro und die nachfolgenden Gondeln den Lido verlassen hatten und auf die nächste Station, die kleine Insel St. Elena, zuhielten. Dort wartete der Patriarch von Venedig darauf, an Bord geholt zu werden.
    Die Insel war rund, stellte Milla fest, nachdem sie an Land gegangen war. Luca hatte die Gondel ein Stück auf den Sand geschoben, der schimmerte und glitzerte, dass ihr lichtblaues Leuchten daneben fast verblasste.
    Es gab nur ein paar Bäume und wenige Büsche, von Wind und Salz gebeutelt, so dass sie seltsam verkrümmten Lebewesen glichen, die plötzlich erstarrt waren. Für eine kurze Weile bot ihnen der Schatten einer Strandkiefer Obdach. Gemeinsam leerten sie den Rest ihrer Wasserflaschen, streckten sich aus und schlossen die Augen.
    Sein Atem ging ruhig. Ihrer schloss sich ihm an.
    Ein paar Augenblicke später spürte Milla, dass Luca ihren Kopf vorsichtig mit seinen Fingerspitzen berührte.
    »Wir müssen los«, sagte er. »Es liegt noch so vieles vor uns.«
    Milla wusste, dass sie ihn jetzt nicht ansehen durfte, sonst würde sie der Mut verlieren und sie sich in Lucas Arme flüchten, um nie wieder daraus emporzutauchen. Ohne ihn anzusehen, sprang sie auf und marschierte los – das Holzkästchen mit der gläsernen Gondel presste sie an sich. Luca holte auf und ging neben ihr.
    Beide blieben schweigsam und angespannt, während sie über den hellen Sand ins Herz der Insel liefen. Der Einzige, der sich zu vergnügen schien, war Puntino – ausgelassen jagte er über den Strand und war bald nur noch als dunkler Punkt zu sehen.
    »Was ist das dort vorn?« Milla war stehen geblieben. »Das sieht ja aus wie …«
    »Feuer!«, rief Luca und begann loszulaufen.
    Milla rannte hinterher.
    Sand drang in ihre hölzernen Pantinen, rieb und scheuerte zwischen den Zehen und machte das Vorankommen mühsam. Doch als sie innehielt und die Schuhe auszog, um mit bloßen Füßen weiterzulaufen, war es unter ihren Sohlen so glutheiß, dass sie rasch wieder zurückschlüpfte.
    Endlich hatte sie Luca erreicht – und mit ihm die Feuerwand.
    Er stand wie erstarrt, der Rücken kerzengerade, den Blick auf die meterhohe Wand aus Flammen und Feuer vor ihnen gerichtet. Die Luft flackerte, der Lärm des Feuers klang wie ein Drohen.
    Als Milla vorsichtig seine Schulter berührte, fuhr Luca zu ihr herum.
    »Es ist genauso wie damals in der Basilika«, murmelte er, und erstmals seit sie

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