Feuerbande
und es klang bitter. „Ich bin ja mit dem Fuß wohl aus dem Spiel. Also bleibt nur eine Möglichkeit. Jemand anderes muss Lord Raymon werden, so lange, bis der Schlafzauber vorüber ist. Ich habe mir da schon etwas überlegt. Wir...“
„He“, unterbrach ich, als plötzlich dunkle Vorahnungen in mir aufstiegen. „Wenn Ihr doch ein Zauberer seid, warum könnt Ihr dann nicht einfach Euren Knöchel heilen und alles weitermachen wie zuvor?“
Er warf mir einen vernichtenden Blick zu. „Das geht nicht. Ich bin ein Magier, kein Heiler. Ich kann Leute täuschen, so dass sie Dinge sehen, die nicht so sind, wie sie zu sein scheinen, ich kann sie beeinflussen, Dinge zu tun, die sie aber auch ohne mich tun würden. Ich kann in ihrem Kopf arbeiten, aber nicht an ihren Knochen. Oder den meinen.“
Oder du bist auch dafür nicht gut genug, dachte ich und biss mir auf die Lippen, um ihn nicht zu verärgern, denn man konnte nie wissen, was ein verärgerter Zauberer anrichten mochte. Vor allem, wenn er nicht sonderlich gut war.
Wieder blickte er mich durchdringend an. „Also habe ich mir etwas anderes überlegt. Da du schuld daran bist, dass ich meinen Auftrag nicht ausführen kann, wirst du auch derjenige sein, der das alles wieder in Ordnung bringt. Du... wirst... Lord... Raymon… werden…“
Seine Stimme wurde plötzlich ganz seltsam, und seine Augen, seine Augen… Ich fühlte mich, als wenn eine Horde Ameisen meinen Rücken hinauf-und hinunterkrabbelte, es durchzuckte mich heiß und kalt, und dann war es auf einmal vorbei, und ich saß immer noch neben dem Mann auf dem Feld, und die Ochsen warteten geduldig.
Ich starrte auf meine Fußspitzen hinab. Alles sah aus wie immer. Was war denn nun schon wieder gewesen?
Der Magier wirkte höchst zufrieden. „Lass uns jetzt zu Hughans Gasthaus auf dem Weg nach Siebeneich reiten, wo Raymons Gefolge uns erwartet. Während du als Lord Raymon in die Burg einziehst und alle Aufmerksamkeit auf dich lenkst, werde ich den Schlafenden unauffällig in seine Gemächer bringen. Ich denke, ich gebe ihm die Gestalt eines – Teppichs, ja, das ist eine gute Idee. Du tust, als würdest du dich betrinken, damit es am anderen Tag begreiflich ist, warum der echte Raymon sich an nichts mehr erinnern kann. Sobald er erwacht, kannst du heimlich die Burg verlassen.“
„He, Moment mal“, protestierte ich. „Was habe ich mit dem Ganzen zu schaffen? Ich habe hier meine Arbeit zu tun, und ich denke nicht einmal im Traum daran, Eure Spielchen mitzumachen! Ich habe schon viel zu viel Zeit vertrödelt! Ich kehre jetzt sofort zu meinem Gespann zurück. Ihr seid ja verrückt!“
Sein Lächeln gefiel mir ganz und gar nicht. „Du kannst gar nicht anders“, meinte er sanft und zog einen Kupferspiegel aus seinem Wams. „Ich werde den Zauber erst aufheben, wenn dies hier alles erledigt ist. Für deine Ochsen wird gesorgt. Ich zahle dir genügend Geld, um für eure Nachteile aufzukommen.“
Ich starrte in den kleinen Spiegel. Verschwommen, doch für mich überklar, starrten mir daraus die arroganten Züge Lord Raymons entgegen.
Vielleicht wunderten sich die Bediensteten Raymons, warum ihr Herr heute so ausnehmend schlechter Laune war. Vielleicht war das aber auch bei ihm üblich, und sie waren es gewohnt. Mir war es egal, es interessierte mich nicht, und mir lag auch nicht viel daran, die mir auferzwungene Rolle möglichst gut oder schlecht zu spielen. Ich war nur wütend, zum Schreien wütend, und dass ich niemanden hatte, an dem ich es auslassen konnte – von den armseligen Dienern des Lords einmal abgesehen, die mich nur in Ruhe lassen sollten -, machte mich nur um so wütender. Ich musste ein Pferd reiten, was ich nicht gerne tat, ich musste unsere Ochsen auf dem Feld und meinen Vater in dem Glauben zurücklassen, dass ich die geforderte Arbeit machte – wenn ich dann später nach Hause käme, würde es ein Donnerwetter geben.
Wenn ich nach Hause kommen würde. Denn wer konnte mit Bestimmtheit sagen, wie lange dieser verfluchte Zauber wirken und ob man mich nicht erwischen mochte? Und was, wenn Lord Raymon erst morgen – oder übermorgen – oder nach Wochen erwachen würde?
Immer wieder ballte ich die Faust und musste mich dabei sehr beherrschen, mein Reittier nicht durch heftige Bewegungen oder festes Zerren an den Zügeln meinen Unmut spüren zu lassen. Schließlich konnte das Pferd nichts dafür, und ich war auf seine Gutmütigkeit angewiesen, wenn ich die Burg wohlbehalten
Weitere Kostenlose Bücher