Feuerbande
Sammlerstück? Ich solle sie doch einmal schätzen lassen.
Ja, dachte ich, während ich auf Elsa Kowalskis Sofa saß, die schnurrende Katze zwischen uns, den Magen voll mit süßem Gebäck und den Kopf mit Kerzenlicht und altmodischen Fernsehfilmen, vielleicht werde ich sie schätzen lassen und dafür gutes Geld bekommen, das mir über die nächste Zeit helfen wird. Vielleicht werde ich sie aber auch aufbewahren, als Andenken an eine seltsame Nacht, die mir niemals jemand glauben wird – soviel ist sicher.
Aber ist das nicht auch einerlei?
Weihnachten ist eben anders.
Zwei Welten, ein Weg
Es ist alles so schnell gegangen, ich kann mich nicht mehr an die genauen Einzelheiten erinnern. Alles ist verschwommen, verschmolzen zu einer bunten, verwirrenden Mischung aus verschiedensten Eindrücken. Menschen, viele Menschen, ein Quietschen, ein Kreischen, ein dumpfes Geräusch, der Duft von Hyazinthen aus dem Blumenladen an der Ecke. Ein Schwung, eine Drehung, der harte Boden unter mir, ein Himmel mit seltsam grauen Wolken. Ein Krachen, laut, die Sinne zerreißend, und eine Hand, die sich auf meinen Arm legte.
„Sind Sie verletzt? Kann ich Ihnen helfen?“
Ich rieb mir die Augen und schüttelte den Kopf. Der Himmel drehte sich über mir, und dann war alles wieder am rechten Ort. Ich lag auf dem Bürgersteig und erinnerte mich – ich hatte die Straße überqueren wollen. Was war geschehen?
Mühsam richtete ich mich auf und untersuchte meine Gelenke. Nichts passiert bis auf ein paar schmerzende Stellen und Abschürfungen. Aber immer noch so viel Lärm um mich her. Und dieser Geruch...
„Sie sollten sich von einem Arzt untersuchen lassen“, hörte ich die freundliche Stimme wieder, und ich nickte, weil sie sonst wohl keine Ruhe geben würde. Und ich brauchte Ruhe, gerade jetzt, weil ich doch verstehen musste, was hier eben geschehen war.
Ich drehte den Kopf ein wenig zur Seite, und da sah ich es, das Auto. Halb auf dem Bürgersteig mit einem Rad, das sich noch immer im Leerlauf drehte, den vorderen Bereich fein säuberlich aufgefaltet, als es vor einer Hauswand zum Stillstand gekommen war. Stinkender Rauch kräuselte sich vorne aus dem ehemaligen Kofferraum, während sich immer mehr Schaulustige darum herum ansammelten.
Ein Fahrer war nicht auszumachen. Das Innere des Fahrzeugs war leer.
„Jemand muss die Polizei rufen“, schrie eine Frau, und ich riss mich endgültig zusammen. So lange wollte ich nicht warten. Ich musste doch ins Büro wie immer. Ich wollte nur Normalität und diese dunklen Gedanken verschlucken, die mir gerade einreden wollten, dass das Auto vorhin auf mich zugerast war.
Auf mich .
Natürlich gab es hier noch so viele andere Menschen, nur waren mir in der letzten Zeit schon einige merkwürdige Dinge passiert, und ich verstand das alles nicht. Ich wollte nur Normalität. Ich musste ins Büro, wie immer.
An der Ecke, kurz vor dem Blumenstand, lag etwas auf dem Bürgersteig, halb verborgen im Schatten der ausgeblichenen Markise. Wie von allein bewegte ich mich auf unsicheren Füßen darauf zu. Die Menschenmenge war viel zu sehr damit beschäftigt, das leere Auto anzustarren, als noch länger auf mich zu achten. Ich beugte mich nieder und betrachtete das kleine Wesen, das dort unten im Halbdämmer reglos lag.
Ein Kater, orangefarben mit großem Kopf, die Augen geschlossen, die Glieder leblos von sich gestreckt. Meine Hand legte sich auf sein struppiges Fell und spürte die Wärme, die noch immer von ihm ausging.
„Ich kann dich hier nicht liegen lassen“, sagte ich und nahm ihn behutsam auf. „Ich nehme dich mit.“
Der Duft der Hyazinthen war betörend.
„Wo hast du denn die Katze her? Und wie siehst du überhaupt aus?“ Lilly schlug die Hände zwar nicht direkt über dem Kopf zusammen, stand aber ziemlich kurz davor. Ich blickte mich rasch um, um mich zu vergewissern, dass der Chef nicht in der Nähe war, dann legte ich das verletzte Tier vorsichtig auf meinem Schreibtisch ab.
„Es ist ein Kater“, erklärte ich. „Da war ein Auto, das auf den Bürgersteig gefahren und in eine Wand gerast ist, und ich bin mir sicher, dass das Tier auch etwas damit zu tun hat. Ich habe es ganz in der Nähe gefunden.“
Lilly befühlte es vorsichtig. „Du solltest es zum Tierarzt bringen. Obwohl – sieht eher erschöpft aus als verletzt. Schau mal...“
Ich legte meine Hand auf das weiche orangefarbene Fell. Es stimmte, das Tier wirkte inzwischen gar nicht mehr so mitgenommen wie
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