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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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oder ihn einfach nur ausschalten konnte. Ich schritt über das Pflaster hinweg, zog die Müllsäcke beiseite – und blickte in die Augen einer kleinen, erbärmlich aussehenden Katze.
    Sie schaute mich an, fremd und doch so seltsam vertraut, dass ich die Hand nach ihr ausstreckte und sie berühren wollte. Sie wich mir nicht aus und ließ es geschehen, dass ich ihre mageren Flanken streichelte.
    „Na hallo, wen haben wir denn da?“, flüsterte ich. „Magst du mit zu mir heraufkommen? Wir finden da sicher etwas Gutes für dich zu essen und zu trinken. Und morgen suchen wir den Tierarzt auf. Ich habe nämlich jetzt viel Zeit, weißt du. Viel Zeit, um mich um all das zu kümmern.“
    Die Katze miaute, ein leiser Laut, und ich beugte mich zu ihr herunter und hob sie empor, als hätten wir beide nur darauf gewartet. Sie wehrte sich nicht, und ich spürte ihr Gewicht auf meinem Arm, als ich die Hintertür des Gebäudes aufschloss. Ihr Gewicht – und ihre Wärme.
     
    Ja, so bin ich zu der Katze gekommen, und wenn Sie sie heute sehen würden – Sie würden sie nicht wiedererkennen. Sie ist schön und gesund, mit glänzendem Fell, und sie liebt es, mir abends Gesellschaft zu leisten, schnurrend und warm an meinen Knien.
    Ob die alte Frau auch etwas zu bedeuten hatte, möchten Sie wissen?
     
    Ich hatte an Heiligabend gebacken, dabei mache ich das sonst nie. Aber diesmal hatte ich Lust dazu, während die Katze auf dem Boden saß und versuchte, alles vom Tisch herunter zu stibitzen, was sie interessant genug fand. Ich kramte ein altes Backbuch hervor und fing mit Mürbeteigplätzchen an, dann kamen noch Vanillekipferl und Zimtsterne dazu. Zwischendurch musste ich noch schnell hinunterlaufen und Zutaten nachkaufen, denn natürlich hatte ich nicht alles im Haus.
    Und als ich vom Laden zurückkehrte und unseren Hausflur betrat, da sah ich, wie eine Wohnungstür im Erdgeschoss offen stand. Nur einen Spalt breit, aber es fiel auf. Von diesen Mietern hatte ich bisher kaum etwas gesehen, sie schienen sehr zurückgezogen zu leben, und dann musste ich ja auch immerzu arbeiten. Na ja, früher jedenfalls.
    Auch jetzt ließ sich niemand in der Nähe blicken, nur diese Tür stand eben auf. Ob sie vergessen hatten, sie zu schließen? Wie leicht konnten da ungebetene Gäste...
    „Hallo?“, fragte ich und näherte mich der Tür. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“
    Schritte tappten heran, und im Türspalt erschien das Gesicht einer Frau, alt und rundlich mit graublauen Augen und Haaren zu einem Dutt geschlungen. „Ja?“, fragte die Frau vorsichtig. „Was möchten Sie?“
    „Oh“, wehrte ich ab. „Ich wollte nicht stören. Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht vergessen, Ihre Tür wieder zu schließen. Mir ist aufgefallen, dass sie...“ Ich kam mir ein wenig unbehaglich vor.
    „Nein, nein“, betonte die Frau vor mir. „Das habe ich absichtlich gemacht. Jemand hat gebacken, riechen Sie das? Das weckt alte Erinnerungen. Ich wollte ein bisschen von dem Duft auch in meiner Wohnung haben. Damit es doch mehr wie Weihnachten ist.“
    „Oh“, entfuhr es mir ein zweites Mal. „Das machen wir anders. Ich habe soviel gebacken, dass es für uns alle reicht. Ich komme nachher wieder herunter und bringe Ihnen Plätzchen vorbei, einverstanden? Frau...“ Ich schielte zu dem Türschild hinüber. „Kowalski?“
    „Sie können ruhig Elsa sagen.“ Die alte Frau blickte mich verlegen an. „Das ist wirklich sehr reizend von Ihnen.“
    „Keine Ursache“, beteuerte ich. „Ich backe noch ein wenig weiter, dann komme ich mit den frischen Sachen.“
     
    Ja, und das habe ich dann gemacht, und die Katze habe ich auch mitgenommen. Wir haben den Heiligen Abend im Wohnzimmer von Elsa Kowalski verbracht, haben Plätzchen gegessen und Fernsehen geschaut und uns dabei immer besser verstanden. Elsa hat aus ihrem Leben erzählt und mir dabei viele Fotos gezeigt, und dann holte sie Wein aus dem Schrank, und es wurde noch ein lustiger Abend. Und ich musste an den Weihnachtsmann denken und was er damals gesagt hatte, an jenem Adventsabend in der Stadt.
    Den habe ich übrigens nie wiedergefunden. Ich bin noch mal zu dem Kaufhaus gefahren, um ihm die Glocke zurückzubringen, doch es war weit und breit niemand im roten Kostüm mehr zu sehen. Ich habe auch im Kaufhaus gefragt, doch sie haben mich nur groß angesehen und erklärt, sie würden keine Weihnachtsmänner draußen beschäftigen. Aber die Glocke, die sähe wertvoll aus, vielleicht ein antikes

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