Feuereifer
Zeit finden, die Familie anzurufen.«
Er deutete eine Verbeugung an und wandte sich zum Gehen. Ich blieb an seiner Seite. »Bevor Sie wieder reingehen - können Sie mir etwas über Fly the Flag erzählen? Hat Frank Zamar Ihnen erklärt, warum er wegen der Sabotageakte in seiner Fabrik nicht die Polizei holt?«
Andres schüttelte den Kopf. »Es wäre gut für Sie, wenn Sie mit den Mädchen Basketball trainierten, anstatt sich mit diesen anderen Sachen zu befassen.« Das war ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. »Diese so genannten anderen Sachen haben alle mit der Basketballmannschaft zu tun, Pastor. Rose Dorrado gehört Ihrer Kirche an; Sie müssten also wissen, dass sie große Angst hat, ihren Job zu verlieren. Ihre Tochter Josie ist im Basketballteam - sie hat mich zu sich nach Hause gebracht, weil ihre Mutter mich bitten wollte, die Sabotageakte aufzuklären. Eine ganz einfache Geschichte, Pastor.«
»South Chicago ist voll von diesen einfachen Geschichten, nicht wahr, die mit Armut beginnen und mit dem Tod enden.«
Diesmal klang er pathetisch, nicht poetisch oder natürlich, und ich überging die Bemerkung geflissentlich. »Und nun gibt es noch ein weiteres Problem. Rose hat einen zweiten Job angenommen und kann sich deshalb abends nicht mehr um ihre Kinder kümmern. Ihre Kinder brauchen sie, aber ich habe überdies das Gefühl, dass sie zu dieser Arbeit, was sie auch sein mag, gezwungen wurde. Sie sind ihr Pastor; können Sie nicht rauskriegen, was da los ist?«
»Ich kann niemanden zwingen, sich mir anzuvertrauen, der das nicht von sich aus möchte. Und Rose hat zwei Töchter, die alt genug sind, sich um den Haushalt zu kümmern. Ich weiß, dass man in Ihrer Idealwelt meint, fünfzehnjährige Mädchen müssten von der Mutter betreut werden, aber hier gelten sie als erwachsen.« Ich hatte allmählich genug von all den Leuten, die sich aufführten, als sei South Chicago ein anderer Planet, der mir unbegreiflich war. »Fünfzehnjährige Mädchen sollten keine Kinder bekommen, in South Chicago ebenso wenig wie in Barrington Hills. Wissen Sie, dass mit jedem Kind, das eine Minderjährige bekommt, sich deren Jobchancen um fünfzig Prozent verringern? Julia hat bereits ein Baby. Ich glaube kaum, dass es für Rose oder Josie eine Hilfe ist, wenn Josie sich auf der Straße herumtreibt und auch eins kriegt.«
»Diese Mädchen müssen auf Jesus vertrauen und ihre Reinheit bewahren für ihre Ehemänner.«
»Wäre ja wundervoll, wenn sie's täten, aber sie tun's nun mal nicht. Und da Sie das ebenso gut wissen wie ich, wäre es verdienstvoll, wenn Sie aufhören würden, ihnen die Verhütungsmittel zu verbieten.«
Er presste die Lippen zusammen. »Kinder sind ein Geschenk des Herrn. Sie mögen glauben, dass Sie es gut meinen, aber Ihre Gedanken stammen aus einer schlechten Quelle. Sie sind eine Frau und unverheiratet und haben keine Ahnung von diesen Dingen. Beschränken Sie sich darauf, den Mädchen Basketball beizubringen, und verletzen Sie nicht ihre unsterblichen Seelen. Ich glaube, es wäre besser... « Er verstummte und blickte über die Schulter auf jemandem, der die 91st Street entlang geschlendert kam. Ein verdrossen bli ckender, hübscher Bursche, den ich irgendwo schon mal gesehen hatte. Andres kannte den jungen Mann offenbar und rief ihm auf Spanisch etwas zu - so schnell, dass ich nichts verstand außer »warum« und die Anweisung, von hier zu verschwinden. Der Bursche starrte Andres mürrisch an, zuckte aber schließlich mit einer Schulter und trollte sich.
»Chavo banda!«, murmelte Andres.
Der Ausdruck war mir noch geläufig aus meiner Zeit als Strafverteidigerin. »Gehört er einer Gang an? Ich hab den irgendwo schon mal gesehen, aber ich weiß nicht mehr, wo. Wie heißt er?«
»Sein Name ist unwichtig, weil er nur das ist: ein Halunke, der sich rumtreibt, der abstaubt oder Jobs für noch üblere Typen macht. Ich will ihn nicht auf dieser Baustelle. Auf die ich jetzt zurückkehren muss.«
»Richten Sie Billy aus, er soll mich anrufen!«, rief ich dem Pastor nach. »Bis heute Abend, damit ich seinen Eltern Bescheid sagen kann.« Obwohl ich zugeben muss, dass ich es im Moment gerne gesehen hätte, wie die Cops die Haustür des Herrn Pastor zu Kleinholz machten.
Er hob die Hand, was sowohl bedeuten konnte, dass er mir zustimmte, als auch, dass ich endlich abhauen solle, und verschwand im Haus. Dieser Pastor Andres wusste ziemlich viel: über Billy, über die chavos banda aus dem Viertel, über Fly the
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