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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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kletterte höher, ohne zu verstehen, was geschehen war, wie er entkommen konnte. Es war fast, als hätte Zotz Angst davor, ihn zu berühren. Ein Gott und Angst vor ihm? In weiter Entfernung konnte Schatten ein heißes Glühen über dem runden Horizont wahrnehmen, Feuerzungen, die in der Luft tanzten. Zunächst dachte er, es wäre die Sonne, die endlich aufging, aber dann erkannte er, dass das Licht sich zur Form von Ästen verjüngte.
    Der BAUM.
    Bevor er noch Schwanz und Flügel ausrichten konnte, um den richtigen Kurs einzuschlagen, zog ein schreckliches Rumpeln seinen Blick nach unten. Die Zwillingstürme der Kathedrale bogen sich und entfalteten sich zu riesigen Flügeln. Aus dem Gebäude wuchs ein schlanker Hals, der sich zu einem länglichen weißen Schädel verdickte. Cama Zotz in all seiner Macht. Er hatte etwas unbeschreiblich Altes an sich, die Haut wie verwitterter Fels und versteinerte Rinde, sein Schädel zusammengesetzt aus den ältesten Knochen der Welt.
    Zotz’ massiger Kopf erhob sich rasch durch die Luft, bog sich über Schatten hinweg und drehte sich, um sich ihm nur Flügelschläge entfernt zuzuwenden. Schatten bremste, tauchte ab, versuchte, den kreischenden Kiefern von Zotz auszuweichen, aber sie hielten Schritt mit ihm, hinderten ihn, zum BAUM zu fliegen.
    Schatten erinnerte sich daran, wie der Gott im Inneren des Turms vor ihm zurückgewichen war. Dennoch, sich mit Absicht auf dieses Ding zu stürzen war undenkbar. Aber ... Wenn alles nur Klang ist, dachte Schatten verzweifelt, vielleicht ist er es auch.
    Schatten warf sich in einen Sturzflug und zielte auf die Kehle von Zotz. Er zuckte vor äußerster Anstrengung, als er auf das Fleisch des Gottes hin tönte, ausprobierte, testete, ob es wirklich war. Nein, nur Klang! Dieses gigantische Gebilde war nicht der Gott selber, sondern eine Klang-Erscheinung, die Zotz gesponnen hatte, wie die ganze Unterwelt selbst. Mit einem bellenden Geräusch trieb er einen Klang-Keil in Zotz’ Hals und versuchte, durch das Gewebe zu schneiden. Tief, tiefer. Schatten prallte auf den Hals, bohrte sich mit den Klauen hinein, während er immer noch Klang aussandte.
    Zotz’ Fleisch begann, Funken zu sprühen und überall zu schmelzen, wo es mit Schattens Körper in Berührung kam. Es war, als wäre Schatten Säure für dieses Klanggeschöpf. Zotz schlug um sich und versuchte, ihn abzuschütteln, und Schatten hatte das Gefühl, in einen Taifun geraten zu sein. Er schnitt immer noch, war noch nicht ganz fertig, aber seine Krallen rissen sich los, und er taumelte zurück durch die Luft. Trudelnd sah er, wie der Kopf von Zotz auf ihn zugepfiffen kam mit weit geöffneten Augen und Kiefern. Schatten wich seitwärts aus und Zotz stürzte vorbei. Kopf und Hals waren von dem riesigen Körper abgetrennt.
    Noch während er fiel, löste sich der Kopf auf wie Löwenzahnsamen im Wind, eine Milliarde Klangsplitter, die herabregneten auf den geflügelten Körper der Kathedrale, der jetzt ohne Besinnung zuckte.
    Los, auf zu Greif!
    Aber als er sich umdrehte, sah Schatten die vier steinernen Wasserspeier an den Ecken des Glockenturms. Er zögerte. Waren die Pilger wirklich da drin? Schnell flog er zum Abbild des Flughundes und ließ sich dort nieder. Er sang Klang gegen den Stein, suchte seinen Weg hinein, tiefer, dann führte er einen wilden Klangschlag.
    Der Stein zerriss, die Hülle des Wasserspeiers spaltete sich in zwei Teile. Java kam herausgetaumelt, prustend, ihr Fell war von Staub bedeckt. Schatten zögerte nicht länger. Er flog zu Yoricks Wasserspeier und dann zu Nemos und zersprengte die riesigen Steinhäute, die um sie gelegt worden waren.
    Bei Smog zögerte er.
    „Lass ihn!“, rief Yorick. „Lass ihn zurück mit den übrigen Vertretern seiner verfluchten Art.“ Nemo widersprach nicht. Nicht einmal Java sagte etwas. Schatten holte Luft. Noch eins von diesen Geschöpfen in die Welt frei lassen? Warum sollte er das? Aber mit einer letzten Salve von Klang beschoss er den Stein. Er splitterte in hundert Risse und fiel ab wie Eierschalen. Smog sprang in die Freiheit.
    „Danke“, sagte der Vampyrum zitternd.
    „Du hast Zotz getötet“, sagte Java bewundernd. „Ich habe es gesehen.“
    „Man kann einen Gott nicht töten“, keuchte Schatten. „Er wird wiederkommen. Ich muss Greif holen.“
    „Wir kommen mit dir“, sagte Java.
    Schatten wirbelte herum und deutete auf das heftige Glühen des BAUMS am Horizont. Er würde schneller fliegen, als er je geflogen war,

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