Feuerflügel: Roman (German Edition)
sage.“ Sein Vater sprach energisch. „Warte hier und halte dich bereit.“
Greif klammerte sich noch an ihn, die Flügel eng um die Brust seines Vaters geschlungen, aber Schatten schüttelte ihn ein zweites Mal ab und flog los, bevor sein Sohn ihn packen konnte.
Zu schwach, um selbst auffliegen zu können, sah Greif hilflos zu, wie sein Vater von ihm wegflog, höher und höher kletterte, bis er nur noch eine dunkle Falte war, die sich als Silhouette vor dem flammenden Wipfeldach des BAUMS abzeichnete.
Schatten flog immer höher. Dabei zählte er die Flügelschläge und fragte sich, wie viel Höhe er wohl brauchte. Schließlich glitt er in die Horizontale.
So war es gut. Das würde reichen. Er blickte nach unten, plante seine Flugbahn, dann holte er tief Luft, hielt den Atem an, horchte auf sich selbst, versuchte, jeden seiner Körperteile zu spüren, als müsste er sie irgendwo aufbewahren, wo er sie immer wiederfinden könnte.
Es tut mir Leid, Marina.
Er legte die Flügel an den Körper an und warf sich nach vorn in einen freien Fall.
Greif sah, wie sein Vater herabstürzte wie ein Stern, der aus dem Himmel geworfen wird. Der Aufschlag war fast geräuschlos, ein leiser, endgültiger dumpfer Schlag, aber in Greifs Kopf explodierte er wie Donner. Schockiert schnappte er nach Luft. Mit Lunas Hilfe zog er sich hinüber und betrachtete den Körper seines Vaters, der zerbrochen am Boden lag, die Flügel verknotet, die Knochen des Handgelenks und der Finger ragten durch die Membrane heraus. Um Nase und Ohren floss Blut, das auch das Fell des Gesichts bedeckte.
„Oh nein“, klagte Greif und rückte näher. „Oh nein, nein ...“, bis die Worte zu einem einzigen langen sprachlosen Klagelaut wurden.
Kleine Lichtfunken flammten auf den Fellspitzen seines Vaters auf, und dann war es, als ob Schatten angezündet worden wäre. Mit einem wilden Ausbruch von Musik quoll Licht aus dem Körper seines Vaters und wickelte ihn in einen Kokon ein, bevor es sich von seinem Fleisch löste und zu einer sich drehenden Säule gerann.
Der Ton und der Anblick waren so unmöglich schön, dass Greif durch seine Tränen lachte.
Das Leben seines Vaters. Was konnte lebendiger sein als diese symphonische Feuersbrunst?
Aber langsam begann das Licht, sich zu erheben und auf den BAUM zuzutreiben, angezogen vom mächtigen Sog des Astlochs.
Greif sah, dass Yorick zögernd auf den blendend hellen Strudel zuflog und mit einem Ausdruck von Hunger auf dem Gesicht daran schnüffelte. Sofort war Smog bei ihm und breitete warnend die Flügel aus.
„Nein“, sagte die Kannibalenfledermaus zu Yorick, und der Verkrüppelte sah beschämt aus, nickte und entfernte sich sofort.
„Greif“, rief Luna neben ihm, „du weißt, was dein Vater von dir wollte.“
Er schluckte; er wusste es, dennoch schüttelte er den Kopf.
„Nimm es!“, sagte Luna. „Er hat es für dich getan. Es ist deins.“
Greif schaute sie an. „Deins auch.“
„Es ist nicht genug.“
Greif betrachtete all das Licht und die Musik, die sein Vater zurückgelassen hatte.
„Doch, es ist genug.“
Zusammen flogen sie hoch zu dem Licht. Greif stöhnte unter dem Gewicht seines neuen toten Körpers. Aber der Anblick des väterlichen Lebens, das da schwebte, gab ihm die Kraft, die er brauchte. Er schaffte es, öffnete das Maul und atmete es ein, den Klang und das Licht, und er spürte, wie es ihn anfüllte, und er roch all die Dinge, die er liebte, den Balsam, das Harz, die Erde, das Fell von Mutter und Vater, und die Lungen dehnten sich in ihm, bis er hustete und keuchte, und sein Herz machte einen Sprung und brach in einen aufgeregten Galopp aus, und plötzlich war das ganze Geräusch verschwunden und auch das Licht. Das Leben seines Vaters strömte nun in ihm.
Er atmete heftig und blickte überrascht zu Luna. Sie starrte zurück, den Atem erwartungsvoll angehalten. „Bin ich?“, fragte sie.
„Beide schön und leuchtend!“, rief Nemo glücklich von unten.
Zusammen flogen Greif und Luna in einer Drehbewegung auf den Boden und er drückte sie zärtlich an sich und roch den warmen Duft ihres Fells, fühlte den aufgeregten Schlag ihres Herzens.
„Ich lebe!“, rief Luna. „Ich wusste es! Ich konnte es gleich fühlen! Es fühlt sich anders an, nicht wahr, sofort!“ Sie verstummte. „Danke, Greif.“
„Ich habe nichts gemacht. Es war mein Papi.“ Er rutschte hinüber zum Körper seines Vaters, der noch warm war. „Wie lange noch, bis er aufwacht?“
„Du hast
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