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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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eine Menge Hin und Her.“ „Ein bisschen Hin und Her wäre jetzt eine willkommene Abwechslung“, meinte Schatten.
    In Wahrheit langweilte er sich im Felsenlager. Er mochte die Gesellschaft von Chinook und besonders die seines Vaters, aber jede Nacht war praktisch gleich. Sie wachten bei Sonnenuntergang auf, erhoben sich in den Himmel und jagten. Wenn sie nicht gerade jagten, hingen sie herum und erzählten sich Geschichten. An den Geschichten hatte er immer Freude, aber dann gab es die Versammlungen, diese endlosen Versammlungen zur Vorbereitung der Wanderung: Wer sie führen sollte, wer die Nachhut bildete; die Qualität der Mehlwürmer in diesem Jahr, die Berichte über Regenfälle und vorherrschende Winde ... sein Schädel wurde ganz taub, nur daran zu denken.
    Er wusste, er sollte sich nicht beklagen – aber er wollte sich trotzdem beklagen. Die Situation war jetzt gut. Mit den Eulen herrschte Frieden, Nahrung gab es in Hülle und Fülle und ... es gab einfach nichts zu tun. Er langweilte sich und er hatte das Gefühl, er selbst würde langweilig werden.
    Er wollte wieder mit Marina zusammen sein; er wollte bei seiner neuen Familie sein.
    „Meinst du ...“, setzte er an, dann vestummte er verlegen.
    „Was?“, fragte Cassiel.
    Er räusperte sich. „Meinst du, ich werde ein guter Vater sein?“
    In Wirklichkeit fühlte er sich überhaupt noch nicht als Vater. Die Vorstellung allein war lächerlich. Obwohl er es kaum erwarten konnte, seinen Sohn kennen zu lernen, machte er sich immer noch Sorgen, Greif könnte ihn für einen Hochstapler halten. Schatten selbst fühlte sich mit Sicherheit als Hochstapler. Ein Vater? Wie konnte er sich nur um ein Junges kümmern, wenn er sich praktisch selbst noch wie ein Junges vorkam? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie er mit Überzeugungskraft Dinge sagen würde wie: „Du solltest das nicht tun“, oder: „So ist es nun einmal“, oder: „Tu, was dir deine Mutter und ich sagen.“ Es war unmöglich, dass Greif ihn ernst nehmen würde.
    Er machte sich Sorgen, nicht wachsam genug zu sein oder stark genug, um ihn zu retten, wenn etwas passierte; er machte sich Sorgen, nicht geduldig genug oder streng genug zu sein ... oder irgendetwas anderes nicht genug zu sein.
    „Du wirst ein großartiger Vater sein“, sagte ihm Cassiel. „Ich denke allerdings, fast jeder macht sich deswegen Sorgen.“
    „Du auch?“, fragte Schatten überrascht.
    „Ich ganz besonders“, erwiderte Cassiel. „Ich war kaum ein besonders verantwortungsvoller Vater. Ich war noch nicht einmal in der Nähe, als du geboren wurdest.“
    „Nun, kein Vater ist das.“
    „Ich war etwas mehr abwesend als die meisten anderen.“
    „Das war nicht deine Schuld.“
    „Aber ich bin Risiken eingegangen, die ich nicht hätte eingehen sollen, jedenfalls nicht, wenn ein Junges unterwegs war.“ Er glitt nahe an Schatten heran und stupste ihn zärtlich an. „Es wird schon in Ordnung gehen.“
    Eine Weile jagten sie in zufriedenem Schweigen Seite an Seite. Dann sah Schatten einen Bärenspanner und entfernte sich kurvend auf seiner Verfolgungsjagd. Die Motte war gerissen, tauchte und wedelte durch das Gewebe des Waldes, verstreute dabei ein Sperrfeuer von Echobildern. Aber Schatten war durch lange Erfahrung klug geworden und erfasste sie mit Augen und Ohren gleichzeitig und ließ sich nicht abschütteln. Er kam schnell auf die Motte zu mit ausgebreitetem Schwanz, um sie hochzuschaufeln. Bärenspanner ließen sich meist senkrecht fallen, und Schattens Flugbahn berücksichtigte das, aber seine Motte fiel nicht nur, sie stürzte schwer wie ein Hagelkorn nach unten.
    Schatten vollführte einen Purzelbaum rückwärts, richtete sich wieder auf – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Motte auf der Erde aufschlug und verschwand. So benahmen sich Bärenspanner nicht. Mit dem Echo-Sehen untersuchte er den felsigen Untergrund und erkannte jetzt, dass sich da in Wirklichkeit ein Loch befand. Motten legten sich, soweit er wusste, keinen Bau an. Vorsichtig überflog er das Loch, sandte Klänge hinab. Das Loch war tief und es kamen keine Echos zurück noch irgendein Anzeichen von der Motte. Direkt darüber bemerkte er einen mächtigen Luftstrom nach unten.
    Schatten landete auf der Erde und näherte sich vorsichtig dem Loch, das ein Spalt direkt im Felsen zu sein schien. Er überlegte, ob das Beben, das er vorher gespürt hatte, ihn aufgerissen hatte. Das Loch saugte geräuschvoll Luft an. Staub und Steinsplitter

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