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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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passiert?
    Wer bin ich?
    Kämpfe!, sagte er sich. Kämpfe an gegen dies alles! Mit geduckten Schultern und in die Erde gegrabenen Klauen zog er. Die Beine fanden Halt und er spürte, wie sich das bleierne Gewicht über ihm bewegte, ihm ein paar wertvolle Zentimeter gewährte. Der Kopf schmolz ihm vor Schmerz, Feuer brannte in all seinen Gliedern. Sein linker Flügel war noch ausgestreckt, von Steinen flach niedergedrückt. Er versuchte ihn anzulegen. Es fühlte sich an, als ob er ihn zentimeterweise durch zackige Kiefer ziehen müsste. Er brüllte mit aller Kraft, um den Schmerz zu betäuben, und schließlich hatte er den Flügel eng an den Körper gelegt. Zitternd gönnte er sich ein paar Augenblicke der Erholung. Er machte den Fehler, seine Augen zu öffnen, sodass ihm Schlamm hineinlief. Er schloss sie fest, klappte den Mund auf und schickte Töne aus. Fast unmittelbar wurden ihm seine Echos zurückgeworfen und malten einen unverständlichen silbernen Lärm vor dem inneren Auge.
    Lebendig begraben.
    Er hatte ein plötzliches Bild von sich selbst hunderte Meter unter der Erde, unfähig, die Oberfläche zu erreichen, während die Luft ihm langsam aus den Lungen gepresst wurde. Er brüllte vor Entsetzen und Wut, er wand sich und schlug um sich, Schultern und Rücken bog er gegen das Gestein. Er spürte, wie es nachgab und um ihn herum niederfiel. Immer wieder bäumte er sich auf und stieß mit den hinteren Klauen gegen alles, was sie berührten.
    Wie eine Messerschneide stieß er durch das Geröll nach oben, seine Schnauze brach als Erstes zur Oberfläche durch. Gierig schnappte er nach Luft, dann schob er den Rest des Kopfes hinaus. Langsam öffnete er die Augen, die von Tränen und Staub getrübt waren, und sah vor sich im Dämmerlicht eine öde Ebene aus Geröll und Schlamm, die sich in alle Richtungen erstreckte. Er hörte keine Bäume oder Pflanzen oder Leben irgendwelcher Art. Nur Erde und Himmel – und einen sandigen Wind, der in seinem Echo-Sehen seine eigene gespenstische silbrige Gestalt annahm.
    Ist das normal?
    Nein, er erwartete etwas anderes – aber was?
    Denk nach!, trieb er sich an. Erinnere dich!
    Er machte den Rest seines Körpers frei und zitterte mit eng angelegten Flügeln, das Kinn auf die Brust gepresst. Seine Gedanken pulsierten, versuchten sich loszuketten. Und dann flammten ein paar Bilder vor seinem inneren Auge auf ...
    Bäume, die zum Himmel emporragten und ein Blätterdach bildeten.
    Darunter eine Welt üppiger Vegetation. Ranken und Schlingpflanzen, Moose und Blüten.
    Eine Steinpyramide, um die andere Geschöpfe wie er selbst kreisten.
    Zuhause.
    Er blickte um sich auf das Geröll, das in alle Richtungen verstreut war. Dies war kein Zuhause. Aber wie war er hierher gekommen? Wieder dachte er an diese Steinpyramide, starrte sie an in seiner Erinnerung.
    Ein Lichtblitz. Die Vorahnung eines verheerenden Geräuschs – sonst nichts.
    Eine Explosion? Irgendein Unglück? Und dies hier, war das alles, was übrig geblieben war, war alles zu dieser steinigen Fläche eingeebnet worden? Er drehte den schmerzenden Hals, er blinzelte zum Himmel hoch und sah, dass durch den wirbelnden Staub Sterne funkelten. Sie erinnerten ihn an nichts.
    Instinktiv breitete er die Flügel zum Flug aus, aber die Erde wollte ihn nicht loslassen. Er fühlte sich unendlich schwer und müde. Ruh dich aus, sagte er sich. Nach einer Ruhepause wirst du in der Lage sein zu fliegen. Stattdessen begann er, langsam zu kriechen, bewegte sich mit dem Wind, breitete ein wenig die Flügel aus und stellte sie so an, dass er vom Wind vorwärts geschoben wurde.
    Er wusste nicht, wohin er wollte, aber früher oder später würde er auf ein anderes Lebewesen treffen, das ihm das sagen konnte.
    Dann hielt er an. Seine Nase zuckte, als ob sie einen Geruch einzufangen versuchte. Vorwärts gebückt horchte er angespannt. Etwas stimmte nicht. Nicht draußen, sondern drinnen. Tief in seinem Inneren war etwas vollkommen falsch.
    Er versuchte, ruhig zu atmen, zu horchen, nachzudenken.
    Dann verstand er plötzlich.
    Sein Herz schlug nicht.
    Voller Panik hustete er und schlug um sich in der Hoffnung, so sein Herz zum Schlagen zu zwingen. Er schlug die Brust gegen den felsigen Grund. Schlag!
    Schlag doch! Verzweifelt schnappte er nach Luft. Sein Blick flammte auf und verschwamm – und wurde dann plötzlich klar.
    Und er verstand, dass er nicht im Sterben lag. Er war bereits tot.
    Im gleichen Augenblick kam ihm sein Name zurückgeflutet. Er

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