Feuerflut
seine Ohren. Pferde wieherten. Schatten tanzten durch den Fackelschein, während Männer miteinander kämpften und rangen. Pfeile zischten durch die Luft, begleitet von wildem Gejohle.
Ein Indianerüberfall.
Billy wollte sich aufrappeln, doch er war unter dem Franzosen eingeklemmt. »Bleib liegen, Junge!«, flüsterte Fortescue ihm ins Ohr.
Der Franzose wälzte sich von ihm hinunter und sprang auf, als ein halb nackter Wilder mit roter Kriegsbemalung sich mit gerecktem Tomahawk auf ihn warf. Fortescue verteidigte sich mit der einzigen Waffe, die ihm zur Verfügung stand, so untauglich sie auch sein mochte – seinem Spazierstock.
Als er den Stock herumschwenkte und auf den Angreifer richtete, teilte der sich nahe dem Griff. Eine Holzscheide kam an der Spitze zum Vorschein, darin steckte ein Schwert. Die Scheide traf den Wilden an der Stirn und ließ ihn zurücktaumeln. Fortescue warf sich auf ihn und rammte ihm die Klinge in die Brust.
Der Indianer brüllte auf. Fortescue nutzte den Schwung des Mannes und warf den Wilden neben Billy zu Boden.
Er riss das Schwert aus der Wunde. »Her zu mir, Junge!«
Billy gehorchte benommen. Sein Kopf war wie leer. Er rappelte sich hoch, da packte ihn jemand beim Arm. Der blutüberströmte Wilde versuchte, ihn festzuhalten. Billy riss sich los.
Der Indianer fiel zurück. Auf Billys Ärmel war ein verschmierter Handabdruck zurückgeblieben. Das war kein Blut, wurde Billy bewusst.
Es war Farbe.
Er schaute den sterbenden Wilden an. Die Hand, die ihn gepackt hatte, war lilienweiß, nur in den Falten der Handfläche haftete noch etwas Farbe.
Jemand packte ihn beim Kragen und zog ihn auf die Beine.
Billy blickte zu Fortescue auf, der ihn festhielt. »Das … das sind keine Indianer«, sagte er völlig verwirrt und unterdrückte ein Schluchzen.
»Ich weiß«, sagte Fortescue. Mehr als nur ein wenig Furcht schwang in seiner Stimme mit.
Ringsumher herrschte Chaos. Die letzten beiden Fackeln erloschen. Schreie, Gebete und lautes Flehen um Gnade.
Fortescue zerrte Billy durch das Lager. Auf dem Weg hob er das Büffelfell auf und drückte es Billy in die Hand. Sie stießen auf ein einzelnes Pferd, im Wald an einem Baum festgebunden und gesattelt, als habe jemand den Angriff vorausgeahnt. Das Pferd stampfte und warf unruhig den Kopf, von dem Geschrei und dem Blutgeruch in Panik versetzt.
Der Franzose zeigte auf das Tier. »Rauf mit dir. Halt dich bereit zur Flucht.«
Während Billy den Stiefel in den Steigbügel setzte, verschwand der Franzose im Wald. Billy schwang sich in den Sattel. Sein Gewicht schien das Pferd zu beruhigen. Er schlang die Arme um den schweißnassen Hals des Tieres, doch das Herz klopfte ihm noch immer bis zum Hals. Er wollte sich die Ohren zuhalten, damit er das Geschrei nicht mehr hörte, doch er musste horchen, ob sich nicht die Wilden an ihn anschlichen.
Nein, das waren keine Wilden, rief er sich in Erinnerung.
Hinter ihm knackte ein Zweig. Als er den Kopf wandte, humpelte eine Gestalt näher. Am Umhang und dem Funkeln des Schwertes erkannte er den Franzosen. Billy wäre am liebsten vom Pferd gesprungen und hätte sich an ihn geklammert, ihn gezwungen, ihm das Blutvergießen und die Täuschung zu erklären.
Fortescue stolperte heran. In seinem Oberschenkel, oberhalb des Knies, steckte der abgebrochene Schaft eines Pfeils. Als er neben dem Pferd stand, reichte er Billy zwei große Gegenstände an.
»Nimm das. Wickel das in das Fell.«
Billy nahm die Gegenstände entgegen. Es waren die geteilten Schädelplatten des Ungeheuers, knochenweiß auf der einen Seite, vergoldet auf der anderen. Fortescue hatte sie anscheinend vom Schädel abgenommen.
Aber warum?
Eilig schlug er die beiden vergoldeten Schädelplatten in das Büffelfell ein.
»Reite los«, sagte Fortescue.
Billy nahm die Zügel in die Hand, zögerte aber. »Was ist mit Ihnen, Sir?«
Fortescue legte Billy die Hand aufs Knie und sagte mit großem Nachdruck: »Das Pferd hat mit dir und der Last genug zu tragen. Du musst so schnell reiten, wie du kannst. Bring das in Sicherheit.«
»Aber wohin?«, fragte Billy.
»Zum Gouverneur von Virginia.« Der Franzose trat einen Schritt zurück. »Bring das Thomas Jefferson.«
EINS
BETRETEN VERBOTEN
1
Gegenwart
18. Mai, 13:32
Rocky Mountains, Utah
ES SAH AUS wie das Tor zur Hölle.
Die beiden jungen Männer standen am Rande eines tiefen, finsteren Abgrunds. Sie hatten acht Stunden gebraucht, um vom Städtchen Roosevelt zu diesem Ort in den Rocky
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