Feuerkind
lachen. Er brachte nur ein ersticktes Knurren hervor.
»Seit über zehn Jahren habe ich meine Vorräte für den Winter gesammelt«, sagte Rainbird heiter, »wie jedes Tier, das den Winter kennt und sich an ihn erinnert. Ich habe eine ganze Sammlung, Cap – Fotos, Bänder, Xerox-Kopien von Dokumenten. Die Öffentlichkeit würde vor Schreck erstarren.«
»Das ist unmöglich«, sagte Cap, aber er wußte, daß Rainbird nicht bluffte, und er hatte das Gefühl, daß eine kalte, unsichtbare Hand auf seine Brust drückte.
»Oh, es ist sehr gut möglich«, sagte Rainbird. »Während der letzten drei Jahre litt ich nie an Informationsmangel, denn während der letzten drei Jahre war ich, wann immer ich es wollte, in der Lage, Ihren Computer anzuzapfen. Natürlich auf einer Time-Sharing-Basis, was die Sache verteuerte, aber ich konnte zahlen. Mein Einkommen war nie schlecht und wurde immer gut investiert. Ich stehe vor Ihnen, Cap – oder sitze, was der Wahrheit entspricht aber nicht so poetisch klingt –, als triumphales Beispiel für amerikanischen Unternehmergeist.«
»Nein«, sagte Cap.
»Ja«, erwiderte Rainbird. »Ich bin John Rainbird, aber ich bin gleichzeitig das US-Büro für Geologische Forschung. Sie können es nachprüfen. Mein Computer-Code ist AXON. Prüfen Sie die Time-Sharing-Codes an Ihrem Hauptterminal. Nehmen Sie den Lift. Ich warte.« Rainbird schlug die Beine übereinander. Sein rechtes Hosenbein schob sich hoch, und an der Naht des Stiefels waren ein Riß und eine Wulst zu erkennen. Er sah aus wie ein Mann, der ein ganzes Zeitalter abwarten konnte, wenn es nötig werden sollte.
Caps Verstand war völlig durcheinandergewirbelt. »Zugang zum Computer auf Time-Sharing-Basis vielleicht. Aber damit zapfen Sie noch immer nicht –«
»Sprechen Sie doch mit Dr. Noftzieger«, sagte Rainbird freundlich. »Fragen Sie ihn, wie viele Möglichkeiten es gibt, einen Computer anzuzapfen, wenn man Zugang auf Time-Sharing-Basis hat. Vor zwei Jahren hat ein gescheiter Zwölfjähriger den USC-Computer angezapft. Im übrigen kenne ich Ihren Code für den Zugang. In diesem Jahr lautet er AUGENBRAUE. Im vorigen Jahr war es REIBEISEN. Das hielt ich für sehr viel passender.«
Cap saß da und starrte Rainbird an. Sein Verstand hatte sich dreigeteilt. Ein Teil wunderte sich, denn Rainbird hatte noch nie so viel auf einmal gesagt. Ein Teil versuchte, sich damit auseinanderzusetzen, daß dieser Verrückte alle Geheimnisse der Firma kannte. Ein dritter Teil erinnerte sich an einen chinesischen Fluch, einen Fluch, der so trügerisch höflich klang. Mögest du interessante Zeiten erleben. Während der letzten anderthalb Jahre hatte er äußerst interessante Zeiten erlebt. Er hatte das Gefühl, daß auch nur eine einzige weitere interessante Sache ihn vollends in den Wahnsinn treiben würde.
Und dann dachte er wieder an Wanless – mit ganz langsam in ihm aufsteigendem Entsetzen. Er hatte fast das Gefühl, als ob … als ob … er sich in Wanless verwandelte. Auf allen Seiten von Dämonen bedrängt, aber unfähig, sich gegen sie zu wehren, ja, selbst Hilfe herbeizurufen.
»Was wollen Sie, Rainbird?«
»Ich habe es Ihnen schon gesagt, Cap. Ich will nur Ihr Wort, daß meine Beschäftigung mit diesem Mädchen Charlene McGee nicht mit dem Gewehr endet, sondern dort erst beginnt. Ich will –« Rainbirds Augen verdunkelten sich, wurden nachdenklich, schwermütig, nach innen gerichtet –, »ich will sie intim kennenlernen.«
Cap sah ihn entsetzt an.
Rainbird verstand plötzlich und schüttelte verächtlich den Kopf. »So intim nun wieder nicht. Nicht im biblischen Sinn. Aber ich werde sie kennenlernen. Charlene und ich werden Freunde sein, Cap. Und wenn sie wirklich die Kräfte hat, auf die alles hinzuweisen scheint, werden wir sehr gute Freunde sein.«
Cap versuchte zu lachen, aber es war eigentlich kein Lachen; eher ein spitzes Kichern.
Der verächtliche Ausdruck wich nicht aus Rainbirds Gesicht. »Nein, Sie denken natürlich, daß das nicht möglich ist. Sie betrachten mein Gesicht, und Sie sehen ein Ungeheuer. Sie betrachten meine Hände, und Sie sehen an ihnen das Blut, das ich in Ihrem Auftrag vergießen mußte. Aber ich sage Ihnen, Cap, es wird so sein. Das Mädchen hat seit fast zwei Jahren keine Freundin und keinen Freund gehabt. Da war immer nur ihr Vater. Sie sehen sie genauso, wie Sie mich sehen. Sie betrachten sie, und Sie sehen ein Ungeheuer. Nur, daß Sie in ihr ein nützliches Ungeheuer sehen. Das ist
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