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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stelle.
    So verbreitet sich in kleinen Städten die Wahrheit; und an dem Aprilabend, an dem Irv und Norma ihr belauschtes Gespräch führten, wußte ein guter Teil der Einwohnerschaft von Hastings Glen, daß die beiden ein mysteriöses Mädchen beherbergten. Die Neugier schlug hohe Wellen, und die Zungen gerieten in Bewegung.
    Am Ende erreichte die Neuigkeit ein verkehrtes Paar Ohren. Von einem Zerhackertelefon aus wurde ein Gespräch geführt.
    Zum zweiten Mal machten sich am letzten Apriltag Agenten der Firma zur Mandersfarm auf den Weg; diesmal bewegten sie sich im Morgengrauen durch den Frühnebel über die Felder und sahen in ihren leuchtenden Feuerschutzanzügen wie schreckliche Invasoren vom Planeten X aus. Sie wurden verstärkt durch eine Einheit der Nationalgarde, deren Angehörige allerdings nicht wußten, warum, zum Teufel, man sie in die friedliche kleine Stadt Hastings Glen im Staate New York geschickt hatte.
    Sie trafen Irv und Norma in der Küche an. Die beiden waren völlig verdutzt, und zwischen ihnen lag eine Nachricht. Irv hatte sie morgens gefunden, als er um fünf Uhr aufstand, um die Kühe zu melken. Sie bestand aus einer einzigen Zeile:
    Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich zu tun habe.
    Liebe Grüße, Charlie.
    Wieder war sie den Agenten der Firma entkommen – aber wo sie sich auch aufhalten mochte, sie war allein.
11
    Der Bibliothekar war ein junger Mann von sechsundzwanzig Jahren mit Bart und langen Haaren. Vor seinem Tisch stand ein kleines Mädchen in grüner Bluse und Bluejeans. In einer Hand hielt sie eine Einkaufstasche. Sie war erbärmlich mager, und der junge Mann fragte sich, was ihre Eltern ihr nur zu essen gegeben hatten … wenn überhaupt.
    Aufmerksam und höflich hörte er sich ihre Frage an. Ihr Daddy, sagte sie, habe ihr erzählt, daß man, wenn man eine wirklich schwierige Frage hat, in die Bibliothek gehen muß, weil die Leute in der Bibliothek die Antwort auf fast alle Fragen wissen. Hinter ihnen warf die große Halle der öffentlichen Bibliothek von New York ein leises Echo zurück; draußen hielten die beiden steinernen Löwen ihre endlose Wache.
    Als sie fertig war, wiederholte der Bibliothekar ihr Anliegen und zählte die wichtigsten Punkte mit Hilfe der Finger auf.
    »Also eine Illustrierte.«
    Sie nickte.
    »Eine große … das heißt, in ganz Amerika verbreitet.«
    Wieder nickte sie.
    »Darf nichts mit der Regierung zu hin haben.«
    Zum dritten Mal nickte das Mädchen.
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Ich –« sie zögerte –, »ich habe ihnen etwas zu erzählen.«
    Der junge Mann überlegte einen Augenblick. Er schien gerade etwas sagen zu wollen, aber dann stieß er einen Finger in die Luft und besprach sich mit einem Kollegen. Er ging zu dem kleinen Mädchen zurück und sagte zwei Worte.
    »Können Sie mir die Adresse geben?« fragte sie.
    Er suchte die Adresse heraus und schrieb sie deutlich und in Druckbuchstaben auf ein viereckiges Stück gelbes Papier.
    »Danke«, sagte das Mädchen und wandte sich zum Gehen.
    »Hör zu«, sagte er, »wann hast du zuletzt gegessen, Kleine? Brauchst du ein paar Dollar?«
    Sie lächelte – ein erstauntlich freundliches und sanftes Lächeln. Einen Augenblick lang war der Bibliothekar fast in sie verliebt.
    »Ich habe Geld«, sagte sie und hielt die Einkaufstasche auf, damit er hineinsehen konnte.
    Die Papiertasche war voll Silbergeld.
    Bevor er etwas sagen konnte – sie vielleicht fragen, ob sie ihr Sparschwein geschlachtet habe oder ähnliches – war sie verschwunden.
12
    Das kleine Mädchen fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock des Wolkenkratzers. Einige der Männer und Frauen, die mit ihr in der Kabine standen, schauten die Kleine neugierig an – ein kleines Mädchen in einer grünen Bluse und Bluejeans, die in der einen Hand eine zerknitterte Einkaufstüte, in der anderen eine Dose Orangensaft trug. Aber sie waren New Yorker, und das Wichtigste für einen New Yorker ist es, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
    Sie stieg aus dem Fahrstuhl, las die Schilder und wandte sich nach links. Am Ende des Korridors lag hinter doppelten Glastüren ein hübsch ausgestatteter Empfangsraum. Unter dem Namen, den der Bibliothekar ihr genannt hatte, hing ein Motto: »Wir bringen alles, was interessant ist.«
    Charlie blieb noch einen Augenblick draußen.
    »Ich tu es jetzt, Daddy«, flüsterte sie. »Oh, hoffentlich tu ich das Richtige.«
    Charlie McGee zog eine der Glastüren auf und ging in das Büro des Rolling

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