Feuerkind
sagte er. »Nur du und ich. Wir müssen miteinander ins reine kommen. Mehr will ich nicht. Nur mit dir ins reine kommen.«
Und sie spürte, daß er die Wahrheit sagte – aber auch, daß sich hinter seinen Worten eine dunklere Wahrheit verbarg. Er verschwieg ihr etwas.
»Komm rauf«, sagte er. »Wir wollen darüber reden.«
Ja, es war wie Hypnose. Und in gewisser Hinsicht war es wie Telepathie. Denn, obwohl sie die Natur dieser dunklen Wahrheit erkannte, bewegten sich ihre Füße auf die Leiter zu. Er wollte mit ihr über nichts reden. Er wollte etwas beenden. Den Zweifel, das Elend und die Angst beenden … die Versuchung beenden, immer größere Feuer zu machen, bis es eines Tages entsetzlich endete. Auf seine verdrehte und verrückte Art sagte er, daß er ihr in einer Weise Freund sein wolle, wie es sonst niemand sein könne. Und … ja, etwas in ihr wollte das. Etwas in ihr wollte ein Ende, eine Befreiung.
Sie bewegte sich auf die Leiter zu, und ihre Hände lagen schon an den Sprossen, als ihr Vater hereinstürzte.
11
»Charlie?« rief er, und der Bann war gebrochen.
Sie nahm die Hände von den Sprossen, und ihr kam eine schreckliche Erkenntnis. Sie drehte sich zur Tür um und sah ihn dort stehen. Ihr erster Gedanke
(Daddy, bist du dick geworden!)
war so schnell wieder weg, daß sie ihn kaum registrierte. Dick oder nicht dick, sie hätte ihn überall wiedererkannt, und ihre ganze Liebe zu ihrem Daddy stieg wieder in ihr auf und raffte Rainbirds Einfluß hinweg wie Nebel. Und sie begriff: was immer Rainbird für sie bedeuten mochte, für ihren Vater bedeutete er den Tod.
»Daddy!« schrie sie. »Komm nicht rein!«
Rainbird runzelte irritiert die Stirn. Er hatte die Pistole nicht mehr auf dem Schoß liegen; sie war direkt auf die Silhouette im Eingang gerichtet.
»Dafür ist es wohl ein wenig zu spät«, sagte er.
Neben Daddy stand ein Mann. Sie hielt ihn für den Mann, der sich Cap genannt hatte. Er stand nur da und ließ die Schultern hängen, als ob sie gebrochen seien.
»Kommen Sie herein«, sagte Rainbird, und Andy kam. »Bleiben Sie jetzt stehen.«
Andy blieb stehen. Cap folgte ihm in ein oder zwei Schritten Abstand, als sei er an ihn gefesselt. In der Dunkelheit des Stalls huschten seine Blicke unruhig hin und her.
»Ich weiß, daß du es könntest«, sagte Rainbird. »Ihr könntet es gemeinsam tun. Aber, Mr. McGee … Andy? Darf ich Sie Andy nennen?«
»Sie können mich nennen wie Sie wollen«, sagte ihr Vater Seine Stimme zeigte keine Erregung.
»Andy, wenn Sie versuchen sollten, Ihre Fähigkeiten gegen mich einzusetzen, werde ich versuchen, lange genug zu widerstehen, um noch Ihre Tochter zu erschießen. Und natürlich, Charlie, wenn du versuchst, deine Fähigkeiten gegen mich einzusetzen … wer weiß, was dann geschieht?«
Charlie rannte zu ihrem Vater. Sie preßte ihr Gesicht gegen den rauhen Stoff seiner Cordjacke.
»Daddy, Daddy«, flüsterte sie heiser.
Hallo, Kleines«, sagte er und strich ihr übers Haar. Er nahm sie in den Arm und schaute dann zu Rainbird hinauf. Der saß auf dem Heuboden wie ein Seemann auf dem Mast und war der Inbegriff des einäugigen Piraten, von dein Andy geträumt hatte. »Und was soll jetzt geschehen?« fragte er Rainbird. Ihm war klar, daß Rainbird sie wahrscheinlich hier festhalten konnte, bis der Bursche, den er über den Rasen hatte laufen sehen, Hilfe geholt hatte, aber irgendwie hatte er das Gefühl, daß Rainbird etwas ganz anderes wollte.span>
Rainbird ignorierte seine Frage. »Charlie?« sagte er.
Charlie zuckte in den Armen ihres Vaters zusammen, aber sie drehte sich nicht um.
»Charlie«, sagte er wieder leise und eindringlich. »Sieh mich an, Charlie.«
Langsam und widerwillig drehte sie sich um und schaute zu ihm hoch.
»Komm rauf«, sagte er, »wie du es vorhin schon wolltest. Nichts hat sich geändert. Wir werden unsere Sache erledigen, und alles wird zu Ende sein.«
»Nein, das kann ich nicht zulassen«, sagte Andy fast liebenswürdig. »Wir gehen jetzt.«
»Komm rauf, Charlie«, sagte Rainbird, »oder ich schieße deinem Vater sofort eine Kugel durch den Kopf. Da kannst mich verbrennen, aber ich wette, daß ich vorher noch abdrücke.«
Charlie stöhnte wie ein verwundetes Tier.
»Bleib hier, Charlie«, sagte Andy.
»Ihm wird es gutgehen«, sagte Rainbird. Seine Stimme klang leise, sachlich und überzeugend. »Sie werden ihn nach Hawaii schicken, und dort wird es ihm gutgehen. Du kannst wählen, Charlie. Für ihn gibt es eine
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