Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
hatte?
Er schluckte, hob die Pistole hoch, als wäre sie ein Ballon, der sich aus seiner Hand löste. Dann würgte er jählings, sein Gesicht entgleiste, und er schleuderte die .45er in ein Blumenbeet und rannte in Richtung Straße.
Ich stieß den Atem aus und wischte mir mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus den Augen.
Temple kam hinter mir aus dem Keller. Im Haus war alles ruhig, abgesehen von der ratternden Klimaanlage und dem Fernsehton. Der Pecanbaum auf dem Hinterhof wogte im Wind, und die Blätter stiegen im Mondschein wie Vögel auf. Ich drückte meine Hand zwischen Temples Schulterblätter und wollte sie zur Straße schieben, spürte dann, wie sie sich steif machte.
»Nein ... Mein Vater« , sagte sie, lautlos die Lippen bewegend.
Doch Johnny Krause nahm uns jede weitere Entscheidung aus der Hand. Er kam von der hinteren Veranda, ließ die Tür zuknallen.
»Skeet, wo steckt Tillman?«, rief er in die Dunkelheit.
Wir starrten uns gegenseitig an.
Funken flogen in die Dunkelheit, als er mit seiner .25er feuerte. Kurz und trocken klangen die Schüsse, wie Chinakracher. Mindestens zwei Kugeln trafen die Windschutzscheibe des Avalon, und eine dritte prallte an der runden Vorderseite von Beaus Trailer ab.
Fast im gleichen Moment riss ich mit beiden Händen die Ruger hoch, die Arme ausgestreckt, und drückte den Abzug durch. Der erste Schuss schlug irgendwo im Schweißerschuppen ins Holz, doch als ich den zweiten abgab, sah ich, wie sein linker Arm hochzuckte, als hätte ihn eine Wespe gestochen.
Dann stürmte er über den Hinterhof, setzte über einen Zaun und einen Bewässerungsgraben hinweg und rannte wie wild quer durch ein Feld auf den Fluss zu.
»Fehlt dir was, Temple?«, sagte ich.
»Mein Vater ist droben im Schlafzimmer gefesselt. Ich muss hin«, sagte sie.
»Fehlt dir etwas?«
Das Weiße in ihren Augen war rosig verfärbt und voller geplatzter Äderchen. Ihr Gesicht wirkte so wütend und zugleich verletzt und gequält, wie ich es noch nie gesehen hatte, wie ein mit Wasserflecken übersätes Papier, das vor eine heiße Flamme gehalten wird. Sie ging ins Haus, ohne mir eine Antwort zu geben.
Ich hebelte die verklemmte Hülse aus der Ruger, führte Beau rückwärts aus dem Trailer und holte ein Lasso von einem Haken an der Seitenwand. Ich schwang mich in den Sattel, hängte das Lasso um den Vorderzwiesel, stemmte mich in die Steigbügel und beugte mich vor. In Sekundenschnelle hatte Beau den Hof und den Bewässerungsgraben überquert, dann gab ich ihm einen Klaps auf die Kruppe und spürte, wie sich sein ganzer Leib unter mir streckte.
Beau war eine Pracht, wenn ich ihn laufen ließ. Seine Muskeln kräuselten sich wie Wasser, als er in gestrecktem Galopp dahinpreschte, ohne auch nur einmal aus dem Tritt zu kommen. Sein Huf schlag, das rhythmische Schnauben, sein völliges Vertrauen in unser beider Erfolg wirkten wie harmonische Geschöpfe aus Geräusch und Kraft und unendlicher Bewegungslust. Blitze zuckten in den Gewitterwolken, die wie ein schwarzer Deckel auf einem Kessel von einem Horizont zum anderen reichten. Aber Beau ließ sich weder durch Gewitter noch durch Matsch, vom Wind verwehte Zeitungen oder durch vertrocknete Mohnkapseln beirren, wie das bei Pferden oft der Fall ist. Vielmehr schien er durch die Gefahr frischen Mut zu fassen und verweigerte mir nicht einmal den Gehorsam.
Vor uns sah ich Johnny Krause rennen, das Gesicht zu uns umgewandt.
Ich setzte mit Beau über einen Graben und ritt einen Hang hinauf, auf eine Flussbiegung zu, an deren Steilufer drei Pappeln standen. Ich zog die Lassoschlinge auf, schlug das Seil mit der rechten Hand einmal um und ließ es über meinem Kopf kreisen.
Johnny Krause drehte sich um und gab einen Schuss aus seiner Automatik ab, aber Beau scheute kein bisschen. Ich schleuderte die Schlinge über Krauses Kopf und sah, wie sie um Hals und Schulter hängen blieb. Ich lehnte mich im Sattel zurück, schlang das Seil um den Vorderzwiesel und spürte, wie sich die Schlinge um Krauses Kehle zuzog. Dann lenkte ich Beau herum und gab ihm die Hacken.
Krause wurde durch das Seil von den Beinen gerissen und am Hals kreuz und quer über den Boden geschleift, über Steine hinweg, gegen einen Baumstumpf, durch ein Geflecht aus Hühnerdraht und einen Stapel Zaunpfosten, den jemand halb abgebrannt hatte.
Unter einer Pappel zügelte ich Beau, löste das Seil vom Vorderzwiesel, warf die ganze Rolle über einen Ast und fing das andere Ende auf. Krause versuchte
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