Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
warmer Talg. Hinter mir war das Küchenfenster. Ich drehte mich um und schaute durch den Fliegendraht in die blicklosen Augen von Kippy Jo.
»Verzeihung. Ich habe Sie nicht gesehen«, sagte ich und atmete tief durch.
Sie ging von der Spüle weg, ohne zu antworten.
Wilbur blickte von seiner Arbeit auf, schob dann einen Stapel gesplitterter Bretter in die Flammen.
»Hugo Roberts ist mit dir in die Hügel gefahren?«, sagte ich.
Wilbur saugte an seinem Mundwinkel. »Er hat mir die Überreste von einem Puma gezeigt, der sich in einem Banddraht verheddert hat. Er hat gesagt, je mehr er kämpft, desto schlimmer richtet er sich zu.«
»Hat er dir gedroht?«, fragte ich.
»Er hat gesagt, dass wir hier weit draußen in der Einöde wohnen. Hat gesagt, hier kommen nachts manchmal mexikanische Kokser vorbei. Und er möchte nicht, dass einer von denen Kippy Jo allein zu Haus erwischt, weil manche von denen die reinsten Viecher wären.«
Ich wartete eine Weile, doch er schwieg sich aus. Sein Gesicht glühte in der Hitze des Feuers.
»Du verschweigst mir doch etwas, Wilbur«, sagte ich.
»Hugo hat gesagt, einen tüchtigen Jungen wie mich hätt er gern als Deputy. Er hat seine Neunmillimeter rausgeholt und sie mir in den Hosenbund gesteckt.« Wilbur schob die Finger unter seine Gürtelschnalle. »Er hat sie bis zum Pimmel runtergerammt. ›Du bist der geborene Gesetzeshüter, Pickett‹, hat er zu mir gesagt. Seine Deputys haben hinter den Sonnenbrillen einander zugefeixt, als ob ich eine Missgeburt war, die man auf dem Jahrmarkt vorführt.«
»Hugo hasst und fürchtet Menschen, die Schneid haben, Wilbur. Deswegen ist er so grausam«, sagte ich.
Er stieß ein weiteres Brett in die Flammen, wich meinem Blick aus.
»Er hat dir einen Kuhhandel angeboten, nicht wahr?«, sagte ich.
»Er hat gesagt, es wär egal, ob Deitrich die Wertpapiere zurückkriegt oder nicht. Ich könnte sagen, dass mich ein Hehler gelinkt hat und abgehauen ist, ohne mir mein Geld zu geben. Die Versicherung kommt sowieso dafür auf.«
»Wenn du auf Hugo Roberts hörst, wirst du in Huntsville Baumwolle pflücken.«
»Er ist der Mann, der das Sagen hat.«
»Wiedersehen, Wilbur.«
Ich ging zu meinem Auto zurück. Die Zwergeichen am Hügelkamm wirkten wie ausgestanzte schwarze Narben vor der glühenden Sonne. Ich ließ den Motor an, stellte ihn dann wieder ab, stieg aus und knallte die Tür zu. Ich trat auf die Veranda und öffnete die Fliegendrahttür, ohne vorher anzuklopfen. Kippy Jo zog eine Fransendecke auf der Couch zurecht. Sie drehte sich um und blickte in meine Richtung.
»Haben Sie zu Ihrem Mann gesagt, ich wäre ein Todesbringer?«, fragte ich.
Sie faltete die Hände, wandte mir die Augen zu, die wie weiß gesprenkelte blaue Murmeln wirkten, schien mit der Haut die Geräusche rundum aufzunehmen. Doch sie sagte nichts.
»Ich habe nicht nur Drogenlieferanten umgebracht, ich habe aus Versehen auch meinen besten Freund getötet. Wenn die Leute drüber reden wollen, na schön. Ich will es mir bloß nicht anhören«, sagte ich.
Ich ließ die Fliegendrahttür hinter mir zufallen. Doch meine zornigen Worte brachten mir keinen Trost.
An diesem Abend fuhr ich zum Gemischtwarenladen unten an der Straße, um einen Laib Brot zu holen. Noch ehe ich den Wagen hinter mir sah, hörte ich das Grollen der beiden Angeberauspuffrohre vom Asphalt widerhallen. Es war ein frisiertes 1949er Mercury-Kabrio mit einem Kühlergrill, der wie verchromte Zähne aussah, dunkelbraun lackiert und mit ineinander verschlungenen blauen und roten Flammen bemalt, die aus der Haube schlugen. Ich stieß auf den Parkplatz des Gemischtwarenladens und ging hinein, worauf der frisierte Mercury hinter mir einbog und im Schatten neben dem Gebäude hielt.
Als ich wieder herauskam, saßen zwei Kids mit umgedrehten Baseballkappen auf dem Kopf auf der vorderen Sitzbank des Kabrios. Ein Dritter stand auf dem Asphalt und warf einen Tennisball an die Wand des Ladens.
Er hatte einen Stiernacken, eine breite Brust, kurz geschnittene braune Haare und trug ein T-Shirt und eine Hose ohne Gürtel, die an seinem harten, muskulösen Körper schlabbrig wie alte Lumpen wirkten. Als ich in meinen Avalon stieg, warf er den Tennisball an die Windschutzscheibe. Ich öffnete die Tür und stand auf, einen Fuß nach wie vor im Wagen.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte ich.
»Ja. Earl Deitrich tut viel Gutes für einen Haufen Kids in San Antonio. Wieso schleppen Sie einen
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