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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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unmittelbar hinter Ronnie?, fragte sie sich. Es war einer von Jeffs Freunden – wie hieß er doch gleich? –, derjenige, den sie noch weniger ausstehen konnte als die anderen. Er war groß und fett, hatte einen Bierbauch und einen Nacken wie ein Schwein. Und er benahm sich genauso wie die meisten fetten Männer, die sie kannte – er markierte den Witzbold und tat so, als interessiere ihn nichts auf der Welt, aber hinter seinem respektlosen Gehabe verbarg sich eine abgrundtiefe Grausamkeit, und mit seinem vulgären Gerede wollte er lediglich seine Ängste und seinen Hass auf Frauen überspielen.
    Esmeralda winkte Ronnie wiederholt zu und zeigte auf die Autos hinter ihm. Doch er grinste sie nur schwachsinnig an, trat die Kupplung durch und jagte den Motor hoch, dass das Grollen seines Angeberauspuffs vom Asphalt widerhallte.
    Sie wollte aussteigen und mit ihm fahren, aber er scherte über den Mittelstreifen aus und donnerte am Bus und an zwei anderen Autos, die vor ihm waren, vorbei und kehrte dann wieder auf seine Spur zurück.
    Sie ging wieder nach vorn, hielt sich schwankend an einer Handschlaufe fest und versuchte Ronnies T-Bird zu erkennen. Stattdessen sah sie, wie Jeffs Freund Chug Rollins – genau, so hieß er – den Bus überholte und rasch wieder einscherte, gefolgt von den beiden anderen Autos aus dem Country Club.
    Der Bus hielt auf die untergehende Sonne zu, fuhr durch Mulden, die bereits in Schatten getaucht waren, nahm weitere Fahrgäste auf, zumeist Latinos und Schwarze, die als Dienstmädchen und Handwerksgehilfen arbeiteten. Sie wirkten müde und abgespannt, vom Leben gezeichnet, hockten mit schlaffen Zügen und ausdruckslosem Blick da, als sei es ihnen egal, was andere von ihnen hielten.
    Sie blieb weiter im Gang stehen und suchte die Straße nach Ronnies T-Bird ab. Doch über den Hügeln färbte sich der Himmel jetzt lila, und die meisten Fahrer hatten die Scheinwerfer eingeschaltet, sodass sie die Autos nicht mehr auseinander halten konnte. Vielleicht war Ronnie nach San Antonio zurückgefahren, dachte sie. Wieso war er nur so stur? Ihr Bruder war tot, und eines Tages würde es auch Ronnie erwischen. Wozu? Damit sie Bandentattoos tragen konnten und von Psychopathen auf dem Gefängnishof von Huntsville oder Sugarland respektiert wurden? Sie hatte ihm erklärt, dass es aus wäre. Sie hatte ihn verlassen, mit einem anderen Mann geschlafen und Dinge mit diesem Mann gemacht, an die sie gar nicht denken wollte. Manche Wunden heilen nie, dachte sie, nicht, wenn man sie sich und denen, die einem am nächsten stehen, mit Vorbedacht zufügt. Wieso konnte Ronnie das nicht begreifen? Er war genauso unbelehrbar wie Gholo.
    In Khakihose und einem bis über die Brust aufgeknöpften roten Hemd war er zu dem Wohnwagen hinter Lucas’ Haus gekommen, hatte nach Joints und kaltem Rauch gestunken.
    »Ich liebe dich, Essie. Ich will dich wiederhaben. Mir ist egal, was du gemacht hast«, hatte er ihr erklärt.
    »Sei nicht so unterwürfig. Das ist peinlich. Seit wann kiffst du? Herrgott, ich habe diesen Irrsinn so satt«, hatte sie erwidert.
    Dann hatte sie seine Miene gesehen, das kurze Aufflackern, das im nächsten Moment erstarb, und sie hatte sich auf die Lippe gebissen und ihm hinterhergeblickt, als er aus der Tür des Wohnwagens gegangen war, die Autoschlüssel aus der Tasche geholt, sie betrachtet und ein ums andere Mal den falschen ins Zündschloss gesteckt hatte.
    Jetzt, da sie im Bus stand, spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, und sie schaute zu Boden, damit niemand ihr Gesicht sah.
    Dann warf sie einen Blick aus dem Seitenfenster und sah Ronnies Auto am Straßenrand stehen, leer, das linke Hinterrad abmontiert, die blanke Scheibe neben einem verbogenen Wagenheber ins Erdreich gesunken.
    Sie beugte sich nahe ans Fenster, damit sie die Straße entlangsehen konnte. Da war er, lief in der Dämmerung zu einer Tankstelle bei einem Gemischtwarenladen, während der Wind, der jetzt mit Regentropfen durchsetzt war, Staubwolken um seine Beine wehte.
    Der Bus fuhr an Ronnie vorbei. Sie ging wieder zum Rückfenster, ohne auf den Unmut der Leute rundum zu achten, und sah, wie die drei Autos aus dem Country Club auf einer Seitenstraße kehrtmachten und auf Ronnie zuhielten, sah, wie sich die Fahrer erst vorsichtig nach allen Seiten umblickten, dann gespannt vorbeugten, als ob sie einen verängstigten und verwundeten Feind entdeckt hätten, der in einer Stahlfalle festsaß, ihr Glück kaum fassen

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