Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
staatlichen Irrenanstalt haben gemeint, sie könnten ihm seine Aggressionen mit Elektroschocks austreiben. Er hat den Gummiknebel durchgebissen, dann hat er die eine Hand freibekommen und einem Techniker den Finger abgerissen«, sagte ich.
»Mein Onkel hat Jessie Stump immer damit beauftragt, die Kaugummis von den Sitzen im Rialto zu kratzen. Er ist mal im Schornstein stecken geblieben, als er eine Eisenwarenhandlung ausrauben wollte. Im Bezirksgefängnis von Llano wollte man ihn nicht aufnehmen, weil er nicht stubenrein war. Guter Ansatz, Herr Rechtsanwalt«, sagte Jeff und lachte, fuhr dann zu der Landstraße zurück. Doch seine Freunde gaben keinen Ton von sich, starrten nur stumpf vor sich hin, sei es aus Müdigkeit oder weil sie sich überlegten, ob es wirklich klug war, Jagd auf Jessie Stump zu machen.
Der Wind drückte das Gras und die Wiesenblumen auf der Lichtung nieder, und ein schwerer Regentropfen schlug mir aufs Auge.
»Die suchen die Leute, die in unsrer Höhle leben, nicht wahr?«, sagte Pete.
»Allem Anschein nach.«
»Stimmt das, was du da von Jessie Stump erzählt hast?«
Ich leckte mir die Lippen. »Ich habe mir das einfach ausgedacht«, sagte ich.
»Ich möchte mir so ein Zeug nicht anhören. Ich will auch vorerst nicht mehr hierher. Und erzähl mir keine Lügengeschichten über Jessie Stump. Weil das nämlich heißt, dass du mich nicht für voll nimmst.«
Ich drehte mich im Sattel um und schaute ihn an. Doch er blickte zu Boden, als ob unsere Schatten besser miteinander zurechtkämen als wir. Er löste die Hände von meiner Taille und legte sie auf den Hinterzwiesel.
22
Am nächsten Morgen fuhr ich in aller Frühe zu Marvin Pomroys Haus, bevor er zur Arbeit ging, und traf ihn draußen auf dem Patio hinter seinem stuckverzierten weißen Eigenheim an, die Zeitung an ein Glas Orangensaft gelehnt, ein Stück Toast in der Hand, während er die Boxergebnisse im Sportteil las.
Der Garten war weitläufig und voller Bäume und blühender Hecken, und Blauhäher und Spottdrosseln schwirrten im Sonnenschein hin und her. Seine Frau winkte mir von der Glastür aus zu, die ins Wohnzimmer führte, hielt eine Tasse Kaffee hoch und blickte mich fragend an.
»Nein danke, Gretchen«, sagte ich und setzte mich unaufgefordert an Marvins Tisch.
»Kann das nicht warten, bis ich im Büro bin?«, sagte er.
»Haben Sie mit dem Pathologen in San Antonio gesprochen?«
»Ja, hab ich. Er hat gesagt, Cholo Ramirez hat vor seinem Tod Modellflugzeugkleber geschnüffelt. Er hatte eine Socke, die damit getränkt war, neben sich auf dem Sitz liegen.«
»Das hat ihn aber nicht umgebracht.«
»Vielleicht nicht. Aber der Pathologe weiß nicht genau, was es gewesen ist. Boxhandschuhe, die mit Gift eingerieben wurden? Das klingt doch nach Elisabethanischem Theater.«
»Kommen Sie zu sich, Marvin. Earl Deitrich springt mit Ihnen um, als wären Sie sein gedungener Handlanger.«
Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben seinen Teller. Sein Hemd wirkte so glatt und weiß wie neues Porzellan.
»Als Inhaber eines öffentlichen Amts muss ich mir im Gerichtsgebäude allerlei Beschimpfungen gefallen lassen«, sagte er. »Das gilt nicht für mein Privatleben.«
»Dieser Mexikaner junge hatte eine chemische Zeitbombe in seinem Kopf.«
»Aber nicht in diesem County.«
»Es geht doch nichts über die Kunst der Kartographie, damit man das Böse in Schubladen verteilen kann«, sagte ich.
Marvin erhob sich von seinem Stuhl, nahm seine Zeitung und das Orangensaftglas, ging ins Haus und schob die Glastür mit dem Fuß zu.
Am nächsten Tag, einem Samstag, wachte Lucas Smothers vor Anbruch der Morgendämmerung auf, trank auf der Treppe hinter seinem Haus eine Tasse Kaffee und sah zu, wie die Sonne über den Feldern aufging und auf den Trailer schien, in dem Esmeralda Ramirez nach wie vor wohnte. Sie hatte am Abend zuvor ihre Unterwäsche von Hand gewaschen und auf einer Leine im Hinterhof aufgehängt, wo sie jetzt im Wind schaukelte, und er schämte sich ein wenig, als ihm klar wurde, was er da anschaute.
Er hatte sich eingeredet, dass er kein Interesse an einer Beziehung mit ihr hatte, sie aber ebenso wenig darum bitten konnte, fortzuziehen, wie er einem Verletzten auf dem Highway die erste Hilfe verweigern konnte. Doch als sie das Haus für ihn putzte und Vorhänge an die Fenster hängte, hatte er sich dabei ertappt, wie er ihr von einem Zimmer zum nächsten folgte, ihr von den Bands erzählte, mit denen er gespielt
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