Feuerschwingen
der Hut zu sein, und auf diese Vorahnung hatte er sich – wenn auch auf sonst niemanden – in seinem Dasein, bisher verlassen können.
Dass er dennoch hier und da einmal in Schwierigkeiten geriet, war einzig und allein ihm selbst anzulasten. Wie der Flirt mit Juna beispielsweise. Nicht wenige Bewohner Gehennas, des sogenannten Reichs der Finsternis, legten es Lucian als Schwäche aus, dass er sich nicht einfach genommen hatte, wonach ihm der Sinn stand. Aber er gehörte nicht ohne Grund zu den wenigen handverlesenen gefallenen Engeln der ersten Stunde, die keinem Geringeren als dem Lichtbringer persönlich unterstellt waren. Er dachte langfristig und war als exzellenter Stratege bekannt. Wer ihn besser kannte, wusste, dass Der Marquis nichts dem Zufall überließ. Und Juna ernsthaft zu nahezutreten wäre in dieser Hinsicht ein nicht wiedergutzumachender Fehler.
»Ist euch in letzter Zeit etwas Besonderes aufgefallen?«
»Nein«, sagte Arian eine Spur zu schnell.
»Ja«, widersprach Juna sanft und legte ihm die Hand auf den Arm. »Erzähl es ihm.«
»Da gibt es nichts zu erzählen.« Arian schüttelte den Kopf. »Nur so ein Gefühl.«
»Was?« Lucians Stimme klang schärfer als beabsichtigt, und Finn setzte sich auf. Beiläufig kraulte er den Hund hinter den Ohren und vermied es, die beiden direkt anzusehen.
Es war Juna, die ihm schließlich antwortete. »Wir haben nichts gesehen, wenn du das meinst. Aber die Atmosphäre hat sich verändert. Es ist«, sie blinzelte entschuldigend, »als wäre die Luft irgendwie nicht mehr so sauber wie zuvor.«
Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sich Arian zurück. »Was an den Touristen liegen kann, die bei diesem Bilderbuchwetter hier einfallen wie die Heuschrecken.«
»Stimmt«, sagte Juna, »auf der Straße nach Ivycombe gibt es inzwischen jedes Wochenende regelrechte Staus. Es wird Zeit, dass dieser Lord Dingsda …«
»Viscount Dorchester. Ihm gehört die gesamte Gegend, und er hat der Gemeinde einen Parkplatz vor der Stadt versprochen. Mit halbstündlichem Shuttle.« Arian grinste, und Lucian wusste, warum. Juna, obwohl selbst Tochter eines britischen Adligen, hatte wenig Verständnis für die althergebrachten Herrschaftsstrukturen.
In diesem Augenblick fühlte er sich Arian auf sonderbare Weise verbunden. Sie lebten in einem Feudalsystem, dessen Komplexität kein Sterblicher je erfassen würde. Und anders als sie beide gehörte Juna erst seit kurzer Zeit zu dieser Welt.
»Himmel, wie soll ich das erklären?«, unterbrach sie seine Gedanken und hob ratlos die Hände. »Früher hätte ich vermutet, dass sich deine Kollegen hier herumtreiben.«
»Dämonen?« Nur zu gut erinnerte er sich an die Zeit zurück, als Juna alle Bewohner der Unterwelt als Dämonen bezeichnet hatte. Dann hatte sie gelernt, worin der Unterschied zwischen einem Gefallenen , einem Dunklen Engel und den ursprünglichen Herrschern des Hades bestand, wie Luzifer ihre Welt lieber nannte.
Sie zog die Nase kraus und lächelte entschuldigend. »Das war nicht böse gemeint.« Jetzt kicherte sie. »Aber ja. Wäre es nicht nahezu ausgeschlossen, hätte ich schwören können, dass sich Dämonen in der Gegend aufhalten.«
»Schon in Ordnung.« Womöglich war er tatsächlich milde geworden. Früher hätte er sie so lange befragt, bis sie – auf die eine oder andere Weise – alles gesagt hätte. In diesem Fall war er jedoch ohnehin überzeugt, dass sie genau dies getan hatte. Er stand auf. »Kann sein, dass ich eine Weile in der Gegend bleibe. Irgendwelche Vorschläge für eine angemessene Unterkunft?«
»Leider …« Juna lächelte verräterisch sanft. »Leider gibt es hier weder Serails noch diabolische Paläste. Du musst dich schon mit dem begnügen, was die britische Landschaft zu bieten hat.«
Lucian schwieg.
Abrupt erhob sich Arian. »Ich habe etwas für dich.«
Kurz darauf kehrte er mit einem Schlüsselbund zurück. »Wenn es Schwierigkeiten gibt, lass es mich wissen.« Damit reichte er ihm die Schlüssel und faltetet eine Wanderkarte auseinander. Eine Stelle nicht weit von Junas und seinem Zuhause war markiert. »Das Haus dürfte nach deinem Geschmack sein. Es liegt direkt an den Klippen. Im letzten Jahr ist ein Teil des Gartens abgebrochen und in die Tiefe gestürzt. Dummerweise während der Sommerferien, und die Bilder waren im ganzen Land und in jedem Internetportal zu sehen. Dann fand der Besitzer keine Mieter mehr und hat es uns kürzlich günstig verkauft.«
Spöttisch
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