Feuerschwingen
gründete, hatte ihr kaum jemand den geschäftlichen Erfolg zugetraut, auf den sie inzwischen stolz sein durfte. Doch sie bestand auf ihre Unabhängigkeit, und der untrügliche Sinn für geschmackvolles Ambiente und Design, der zu ihren großen Stärken gehörte, setzte sich allmählich auch ohne das Kapital der einflussreichen Familie durch.
Mila und Florence waren sich mehr oder weniger zufällig begegnet. Mila suchte eine bezahlbare Unterkunft, und Anthony, damals ein flüchtiger Bekannter, vermittelte ihr ein Zimmer bei seiner Nachbarin. Schnell stellte sich heraus, dass sich die jungen Frauen bestens verstanden. Eines Abends vertrauten sie sich gegenseitig ihre Sorgen an. Florence brauchte dringend Unterstützung, um Aufträge nicht ablehnen zu müssen, Mila suchte bisher vergeblich einen neuen Job.
»Warum arbeitet ihr nicht einfach zusammen?«, erkundigte sich Anthony, der ein leidenschaftlicher Hobbykoch war und sie gern als Testesserinnen, wie er es nannte, einlud. Wahrscheinlich wollte er Mila aber vor allem unter die Arme greifen, denn er verdiente sehr gut, während sie jeden Cent umdrehen mussten.
»Ich weiß nicht. Eine Innenarchitektin bin ich nicht gerade. Oder brauchst du vielleicht einen Leibwächter?«, hatte Mila gefragt.
»Eher eine Inkassofirma. Lässt du mir bitte etwas von dieser köstlichen Soße übrig?«
Nachdem sie sich ebenfalls noch einen Nachschlag genommen hatte, sammelte sie allen Mut zusammen. »Mit Zahlen kann ich ganz gut umgehen«, hatte Mila leise gesagt und beinahe entschuldigend hinzugefügt: »Jedenfalls ist mir noch nie jemand etwas schuldig geblieben.«
Aus dem Augenwinkel glaubte sie zu sehen, wie Anthony ihr einen langen Blick zuwarf. Sicherlich täuschte sie sich. Ein so gut aussehender Mann interessierte sich nicht für eine Exsoldatin, die sich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser hielt.
Von diesen Zweifeln bekam Florence zum Glück nichts mit. »Wirklich? Ich wusste gleich, dich schickt der Himmel!«
Unwillkürlich zuckte Mila zusammen. Das Erwähnen unirdischer Mächte ließ sie nervös werden. Doch natürlich konnten ihre neuen Freunde nicht wissen, dass dies ein heikles Thema für sie war.
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Florence fort: »Wunderbar! Lass es uns einfach ausprobieren: Du kümmerst dich um alles Schriftliche und verschickst die Rechnungen. Wenn die dann auch beglichen werden, brauchen wir uns über unsere Zukunft keine Gedanken mehr zu machen. Das Geschäft läuft inzwischen richtig gut.« Sie sprang auf, ihre Augen glänzten erwartungsvoll.
»Einverstanden!«, sagte Mila schüchtern.
Während sie sich zur Bekräftigung ihrer Geschäftsbeziehung umarmten, öffnete Anthony eine Flasche Champagner. »Gut, dass ich die für besondere Gelegenheiten aufbewahre. Natürlich müsst ihr einen Arbeitsvertrag schließen.«
»Ja, ja! Keine Sorge, das regeln wir schon.« Lachend hob Florence ihr Glas und prostete Mila zu. »Auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit.«
Das Schöne wusste Mila ebenso zu schätzen wie ihre Geschäftspartnerin. Doch im Gegensatz zu Florence besaß sie ein außerordentliches Organisationstalent und genügend Bodenständigkeit, um Mahnungen schreiben zu können, wo sich die talentierte Innenausstatterin mit einem freundlichen Lächeln hätte abspeisen lassen.
»Über Geld spricht man nicht«, hatte Florence verlegen gesagt, als wieder einmal eine scharf formulierte Zahlungserinnerung des Vermieters ins Haus geflattert war.
»Richtig«, entgegnete Mila, »man schreibt Rechnungen.«
Längst waren die Aufgaben des ungleichen Teams verteilt: Florence lebte ihren Traum, Mila organisierte ihn. Das funktionierte inzwischen so gut, dass sie heute zu einem unfassbar fantastisch genialen Job , wie Florence unentwegt geschwärmt hatte, unterwegs waren: Ein Herrenhaus an der Westküste sollte neu eingerichtet werden. Die Grundrisse hatten sie zwar bereits gesehen, aber keine von ihnen war bisher in Stanmore House gewesen.
Irgendetwas an diesem Auftrag beunruhigte Mila, doch weil es keinen vernünftigen Grund dafür gab, behielt sie ihre Bedenken für sich.
Und so waren beide gestern von London aus aufgebrochen, hatten in einer hübschen Bed & Breakfast-Pension zwei Zimmer mit Blick aufs Meer gemietet und am Vormittag das Küstenstädtchen Ivycombe erkundet, dessen Bürger sich bemühten, den liebenswürdigen Charme des Ortes trotz der alljährlich einfallenden Touristenschwärme zu erhalten.
In einem von Ivycombs exklusiveren
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