Feuerschwingen
Jahren wenn auch nicht zu Freunden, so doch zu Verbündeten geworden. Eine wertvolle Allianz wie diese hätte Lucian niemals gefährdet. Es gab wichtigere Dinge als eine Affäre, so leidenschaftlich die mit Juna auch hätte sein können.
Seine lackschwarzen Flügelspitzen bebten bei der Erinnerung an vergangene Tage, und es wurde höchste Zeit, Abstand zwischen sich und den verführerischen Engel zu bringen. Nach mehr als einem Millennium Ennui war sie es gewesen, die etwas wie ein Gefühl in ihm wiedererweckt hatte. Als Liebende waren sie nicht füreinander bestimmt – dennoch besaß dieser neu geschaffene Engel größere Macht über ihn, als er es sich eingestehen wollte.
»Ich war zufällig in der Gegend«, sagte er leichthin und schlenderte zum Kühlschrank. »Etwas zu trinken?«
Kopfschüttelnd sah sie ihn an. »Nicht für mich. Aber bedien dich nur.«
Daraufhin stellte er den Wein zurück und nahm eine Flasche Bier heraus, die in der Sommerluft sofort beschlug. Der Kronkorken sprang ohne sichtbares Zutun ab und landete direkt im Abfallkorb. Aus dem Augenwinkel beobachtete er ihre Reaktion: Der sinnliche Mund öffnete sich leicht, und ihre Augen nahmen eine intensivere Färbung an, während sie zusah, wie er seine Lippen befeuchtete, bevor er die Flasche anhob und den Kopf in den Nacken legte.
»Was wird das hier? Eine Getränke-Werbung?« Das unterdrückte Lachen in der dunklen Stimme nahm den Worten die Schärfe. Hundekrallen klickten über das Parkett. »Finn, du treulose Kreatur!«
Ein schwarzer Blitz stürzte sich auf Lucian, doch er beugte sich unerschrocken herab, um den aufgeregten Hund zu begrüßen. Ebenso wie seine jetzige Besitzerin hatte der Setter einen besonderen Platz in seinem Herzen erobert und damit das Recht verdient, bei jeder ihrer Begegnungen ausgiebig hinter den Ohren gekrault zu werden. Normal war das nicht. Tiere spürten instinktiv seine dunkle Seite und hielten sich von ihm fern. Aber an Finn war nichts normal. Angefangen von den wissenden Augen bis zum halben Ohr, das sich nie entscheiden konnte, ob es herabhängen oder hochstehen wollte.
Allerdings unterschied sich Finn nicht von seinen Artgenossen, sobald es ums Spazierengehen ging. Deshalb überraschte es Lucian nicht, dass ihm, als er sich aufrichtete, Arian mit einer Lederleine in der Hand gegenüberstand. Die Augen des Engels verrieten das Missvergnügen über Lucians dreistes Spiel.
Juna ernsthaft in Versuchung zu führen, wäre jedoch selbst für ihn eine Herausforderung. Sie war Arians Seelengefährtin und für Tricks dieser Art nicht anfällig.
Amüsiert stellte Lucian fest, dass Arian und er sich ähnlich kleideten. Sie beide trugen ihre Jeans tief auf den Hüften, und ihre Shirts ließen keinen Zweifel daran, dass, wer auch immer ihre Körper einst geschaffen hatte, es gut mit ihnen gemeint haben musste.
Doch da hörten die Gemeinsamkeiten auch schon wieder auf: Arian war eher der mediterrane Typ, nur die Augen leuchteten dunkelblau wie der Himmel eines warmen Sommerabends. Lucians blonder Schopf besaß zwar die gesträhnte Unordnung einer Surferfrisur, aber ihm fehlte der dazugehörige gebräunte Teint, und sein Blick erinnerte mehr an die Gletscher der Eismeere als an das Grün irdischer Wälder und Wiesen.
Arian schien diese Inspektion nicht zu gefallen, und die Atmosphäre im Raum verdichtete sich zu einem dunklen Grollen.
Juna sah von einem zum anderen und seufzte. »Setzt euch.« Sie machte eine einladende Geste. »Ich komme gleich nach«, sagte sie vorsichtshalber, als die beiden zögerten. Irgendetwas lag in der Luft.
Es dauerte nicht lange, und Juna erschien mit gekühlten Getränken. Finn kam hinter ihr hergetrottet und rollte sich unter dem Tisch zusammen. Arian legte einen Arm um sie und gab ihr einen liebevollen Kuss. Es war unübersehbar, dass er nicht nur sein Revier abstecken wollte, sondern sie zärtlich liebte.
Schweigend trank Lucian einen Schluck und lehnte sich zurück. Er wollte diesen Beweis gegenseitiger Hingabe kitschig finden, doch ganz leise sehnte sich ein winziger Teil in ihm nach dieser Seelenharmonie, die ihm für immer verwehrt bliebe.
Die himmlischen Engel hatten ein Einsehen, rückten ein wenig voneinander ab und blickten ihn erwartungsvoll an. Hierherzukommen, war eine spontane Entscheidung gewesen, die er nun beinahe bereute. Alles deutete darauf hin, dass der Grund seines Besuchs nur eine unbedeutende interne Angelegenheit war. Doch eine innere Stimme warnte ihn, auf
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