Feuersteine
überwiegend selbst aus ihrem Garten und hielt Kaninchen.
Ihrerseits erzählte Aischa erstaunlich viel von sich. Von Frank, von seinem Verrat, von ihren Eltern, die vor einigen Jahren nach Frankreich ausgewandert waren und zu denen sie nur noch sporadisch Kontakt hatte.
Es überraschte sie selbst, wie emotionslos sie von Frank erzählen konnte. Sein Betrug war es, der ihr am meisten zu schaffen machte, der Verlust seiner Liebe hingegen nicht. Vielleicht war es weniger Liebe zwischen ihnen gewesen als eine gewisse Zweckgemeinschaft und Gewöhnung.
Erst als es endgültig dunkel geworden war, der Markt sich leerte und Aischa Lily beim Zusammenpacken geholfen hatte, drängte sich der Wunsch, Lily auf jeden Fall wiederzusehen, in den Vordergrund. Sie verstauten alles in Lilys kleinem Auto und Aischa formulierte mehrere Versionen ihrer Frage in ihrem Kopf, auf der Suche nach der richtigen. Lily kam ihr allerdings zuvor.
„Wenn du Zeit hast, bist du mir immer willkommen“, meinte sie. „Bis Weihnachten bin ich noch auf den Märkten, die ich dir auf dem Zettel genannt habe. Ich würde mich freuen, wenn du mich dort oder daheim besuchen würdest.“
Aischa warf einen flüchtigen Blick auf den Zettel und nickte. Das kommende Wochenende würde sie abermals in London sein, das darauf folgende jedoch nicht.
„Ich werde nach Ludwigslust kommen“, versicherte sie und zwinkerte Lily zu. „Ich bringe dir etwas Selbstgebackenes mit und alkoholfreien Glühwein, wenn du magst?“ Sie hatte Ewigkeiten lang nichts mehr gebacken, der Gedanke, es für Lily zu tun, reizte sie jedoch ungemein.
Lilys Lächeln, während sie mit dem Kopf nickte, begleitete Aischa den Weg nachhause. Sie fühlte sich euphorisch, voller neuer Ideen, zufrieden auf eine Weise, die ihr die Zärtlichkeiten einer zufälligen Bekanntschaft in einem Club nie hatten bieten können. Und sie fragte sich, ob es möglich war, wenngleich sie Lily kaum kannte, ob sie sich wahrhaftig in die andere Frau verliebt hatte.
Ein Teil von ihr hielt an dem alten Muster fest, dass es Liebe nur zwischen einem Mann und einer Frau geben konnte. Je weiter die Woche jedoch voranschritt, je größer die Sehnsucht nach Lilys Stimme, ihrer Gesellschaft wurde, desto weniger konnte Aischa leugnen, dass die junge Frau ihre Gefühle reichlich durcheinandergebracht hatte.
Sie trafen sich wieder. Aischa hatte sich vorbereitet, sehr warme Kleidung mitgebracht und saß den ganzen Tag neben Lily, unterhielt sich mit ihr, lachte mit ihr, beobachtete sie, lernte jede ihrer Bewegungen kennen. Lily wich Fragen nach ihrer Familie aus, erneuerte jedoch ihre Einladung, doch Aischa konnte sich noch nicht überwinden, ihr zu folgen. Die möglichen Konsequenzen, der Gedanke, Lily so nahe zu kommen, mehr, Persönlicheres von ihr zu erfahren, womöglich noch mehr mit ihr zu teilen, erschreckte sie, ließ sie unsicher zurückweichen. Konnte sie das, wollte sie das? Sie war sich nicht sicher.
Lily drängte sie nicht, auch an dem folgenden Marktwochenende nicht, an welchem Aischa zum ersten Mal in ihrer Firma darum gebeten hatte, jemand anderen zu einem Meeting zu schicken , um den Tag mit Lily zu verbringen. Sie verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, wusste, dass ein solches Verhalten nicht förderlich für ihre weitere Karriere sein würde, dennoch hatte sie es getan.
Sie musste es einfach tun. Lily wiederzusehen erschien ihr selbst wichtiger als ihre Arbeit. Und das war dumm, wie sie wusste.
Immer hatte sie ihrem beruflichen Fortschritt Priorität eingeräumt. Bis jetzt.
Sie bereute es nicht.
Mit Lily zusammen zu sein gab ihr Kraft, stärkte sie für die nächste Woche. Der Tag ging viel zu schnell vorüber. Leider besaß Lily kein Telefon und da Aischa über Weihnachten zu ihren Eltern fliegen wollte, wusste sie nicht recht, wie sie sie erneut kontaktieren konnte. Die Zeit der Weihnachtsmärkte war vorbei und Lily hatte erwähnt, dass sie nun erst im Frühling wieder unterwegs sein würde.
„Wenn du wieder hier bist, komm vorbei. Ich werde da sein. Du kannst jederzeit kommen“, bot ihr Lily an, als sie sich verabschiedeten. „Ich würde dir gerne helfen, dich zu entspannen. So ein wirklicher Verwöhntag. Ich glaube, du kannst einen Tag fernab von all deinen Verpflichtungen gebrauchen. “ Sie hatte recht, Aischa wusste, dass ihr gerade in letzter Zeit viel zu viele Fehler unterliefen, sie oft abgelenkt war. Ein Tag Auszeit würde ihr guttun. Ein Tag mit und bei Lily, der Gedanke war
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