Feuertaufe
den Eingang zur Hütte verdeckte. »Lass uns die Augen offenhalten. Dieser stinkende Kräutermann gefällt mir nicht besonders.« »Irgendein konkreter Grund?«
»Mir gefallen keine Leute, die den Sommer in der Nähe von Friedhöfen verbringen, und zwar Friedhöfen, die weit von ihrem Wohnort entfernt liegen. Wachsen denn in freundlicheren Gegenden keine Kräuter? Dieser ganze Regis sieht mir nach einem Grabräuber aus. Barbiere, Alchimisten und dergleichen graben auf Friedhöfen Leichen aus, um später mit ihnen allerlei Exkremente anzustellen.«
»Experimente. Aber für solche Praktiken verwendet man frische Leichen. Dieser Friedhof ist sehr alt.«
»Stimmt.« Der Zwerg kraulte sich den Bart, während er den Frauen aus Kernow zusah, die sich unter den Zweigen der Traubenkirschen, die rings um die Hütte des Barbiers wuchsen, ein Nachtlager bereiteten. »Vielleicht stiehlt er dann verborgene Kostbarkeiten aus den Gräbern?«
»Frag ihn«, sagte Geralt achselzuckend. »Seine Einladung hast du auf der Stelle angenommen, ohne dich zu zieren, und jetzt wirst du plötzlich misstrauisch wie eine alte Jungfer, wenn man ihr Komplimente macht.«
»Hmmm...«, brummte Zoltan. »Da hast du nicht unrecht. Aber ich würde gern einen Blick auf das werfen, was er da in dieser Lehmhütte hat. Nur so sicherheitshalber...«
»Dann geh zu ihm hinein und tu so, als ob du eine Gabel borgen willst.«
»Wieso eine Gabel?«
»Wieso nicht?«
Der Zwerg warf ihm einen langen Blick zu, entschloss sich dann aber und ging munteren Schrittes auf die Hütte zu, klopfte höflich an den Türrahmen und trat ein. Er blieb eine ganze Weile drinnen, worauf er plötzlich in der Tür erschien.
»Geralt, Percival, Rittersporn, kommt. Ihr werdet etwas Interessantes sehen. Nur zu, keine Scheu, Herr Regis lädt uns ein.«
Das Innere der Hütte war dunkel und von einem warmen, betörenden, in der Nase kitzelnden Geruch erfüllt, der hauptsächlich von Kräuter- und Wurzelbündeln verströmt wurde, die an allen Wänden der Hütte hingen. Das gesamte Mobiliar bestand aus einer Bettstatt, auch mit Kräutern bedeckt, und einem schiefen Tisch, auf dem zahllose Fläschchen aus Glas, Ton und Porzellan standen. Das spärliche Licht, in dem das alles zu sehen war, kam von Kohlen in einem sonderbar ausgewölbten Öfchen, das an eine bauchige Sanduhr erinnerte. Das Öfchen war von einem Spinnennetz glänzender Röhren unterschiedlichen Durchmessers umgeben, die zu Bögen und Spiralen geformt waren. Unter einer dieser Röhren stand ein Holzbottich, in den es tropfte.
Beim Anblick des Öfchens machte Percival Schuttenbach Stielaugen, riss den Mund auf, seufzte und sprang dann heran. »Ho, ho, ho!«, rief er mit nicht zu verbergender Begeisterung. »Was sehe ich da? Das ist ja ein waschechter Athanor im Verein mit einem Alembik! Mit einer Rektifikationskolonne ausgerüstet und einer kupfernen Kühlschlange! Eine schöne Arbeit! Habt Ihr das selbst konstruiert, Herr Barbier?«
»Freilich«, gab Emiel Regis bescheiden zu. »Ich befasse mich mit der Herstellung von Elixieren, also muss ich destillieren, Fünfte Essenzen herausziehen und auch...«
Er unterbrach sich, als er sah, wie Zoltan Chivay einen aus der Röhre fallenden Tropfen auffing und sich den Finger ableckte. Der Zwerg seufzte, auf seinem rotbäckigen Gesicht malte sich unbeschreibliche Seligkeit.
Rittersporn hielt es nicht aus, er probierte ebenfalls. Und stöhnte leise. »Die Fünfte Essenz«, gestand er und schnalzte. »Und wohl auch die sechste, wenn nicht gar die siebte.«
»Nun ja...« Der Barbier lächelte sacht. »Wie gesagt, ein Destillat...«
»Selbstgebrannter«, berichtigte ihn Zoltan beiläufig. »Und was für welcher. Probier, Percival.«
»Aber von organischer Chemie verstehe ich nichts«, lehnte der Gnom zerstreut ab, der vor dem alchimistischen Ofen kniete und die Einzelheiten seines Aufbaus betrachtete. »Ich glaube nicht, dass ich die Bestandteile erkennen würde ...«
»Das Destillat stammt von Alraunen«, zerstreute Regis die Zweifel. »Mit Belladonna angereichert. Und mit Stärkemasse fermentiert.«
»Also mit Maische?«
»So kann man es auch nennen.«
»Und kann man einen Becher davon kriegen?«
»Zoltan, Rittersporn.« Der Hexer verschränkte die Arme vor der Brust. »Seid ihr taub? Das ist Mandragora. Das Zeug ist aus Mandragora gebrannt. Lasst diesen Bottich in Ruhe.«
»Aber lieber Herr Geralt.« Der Alchimist kramte zwischen verstaubten Retorten und Flaschen ein
Weitere Kostenlose Bücher