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Feuertaufe

Feuertaufe

Titel: Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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bestätigte der Zwerg und wies mit einem Kopfnicken auf den Feuerschein, der den Himmel erhellte. »Die Zeiten sind so. Ich merke, Ihr seid ein Flüchtling wie wir auch. Es ist freilich merkwürdig, dass Ihr zwar so weit vom heimatlichen Dillingen geflohen seid, Euch aber allein zwischen diesen Grabhügeln verbergt. Aber ja, die Leute machen alles mögliche durch, zumal in schweren Zeiten. Wir haben uns vor Euch gefürchtet, Ihr Euch vor uns. Die Angst hat große Augen.«
    »Von meiner Seite« - der Mann, der sich als Emiel Regis vorgestellt hatte, wandte den Blick nicht von ihnen - »habt Ihr nichts zu befürchten. Ich hoffe, ich kann auf Gegenseitigkeit rechnen?«
    »Was denn« - Zoltan bleckte in einem breiten Lächeln die Zähne -, »haltet Ihr uns für Räuber, oder wie? Wir, Herr Barbier, sind auch Flüchtlinge. Wir sind in Richtung der temerischen Grenze unterwegs. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch uns anschließen. Zusammen ist es sicherer als allein, und uns kann ein Mediziner von Nutzen sein. Wir haben Frauen und Kinder bei uns. Findet sich unter diesen stinkenden Gewächsen, die Ihr, wie ich rieche, bei Euch habt, ein Mittel gegen wunde Füße?«
    »Etwas wird sich finden«, sagte der Barbier leise. »Ich will gern helfen. Was jedoch die gemeinsame Reise angeht... Ich danke für das Angebot, aber ich bin kein Flüchtling, meine Herren. Ich bin nicht vor dem Krieg aus Dillingen geflohen. Ich wohne hier.«
    »Wie das?« Der Zwerg zog die Brauen zusammen und wich einen Schritt zurück. »Ihr wohnt hier? Hier auf dem Friedhof?«
    »Auf dem Friedhof? Nein. Ich habe hier in der Nähe eine Hütte. Außer dem Haus und dem Laden in Dillingen, versteht sich. Aber hier verbringe ich den Sommer, jedes Jahr von Juni bis September, vom Johannisfeuer bis zum Äquinoktium. Ich sammle Heilkräuter und Wurzeln, von einem Teil destilliere ich gleich an Ort und Stelle Arzneien und Elixiere ...«
    »Aber vom Krieg wisst Ihr« - es war keine Frage, sondern Geralt stellte es fest - »trotz Eurem Einsiedlerleben fernab von Welt und Menschen. Woher?«
    »Von Flüchtlingen, die hierher gekommen sind. Knapp zwei Meilen von hier, am Flusse Chotla, ist ein großes Lager. Dort haben sich etliche hundert Flüchtlinge gesammelt, Dörfler aus Brugge und Sodden.«
    »Und die temerischen Truppen?«, wollte Zoltan wissen. »Haben sie sich in Marsch gesetzt?«
    »Davon ist mir nichts bekannt.«
    Der Zwerg fluchte, dann starrte er den Barbier an. »Ihr wohnt also hier, Herr Regis«, sagte er langsam. »Und nachts spaziert Ihr zwischen den Gräbern umher. Habt Ihr keine Angst?«
    »Wovor sollte ich mich fürchten?«
    »Dieser Herr hier« - Zoltan zeigte auf Geralt - »ist Hexer. Er hat vor kurzem Spuren von Ghulen gesehen. Von Leichenfressern, versteht Ihr? Und man braucht kein Hexer zu sein, um zu wissen, dass Ghule sich bei Friedhöfen aufhalten.«
    »Ein Hexer.« Der Barbier betrachtete Geralt mit sichtlichem Interesse. »Ein Ungeheuervertilger. Aha. Interessant. Habt Ihr Euren Gefährten nicht erklärt, Herr Hexer, dass diese Nekropole über ein halbes Jahrtausend alt ist? Ghule sind nicht wählerisch, aber sie kauen nicht auf fünfhundert Jahre alten Knochen herum. Es gibt hier keine Ghule.«
    »Das betrübt mich ganz und gar nicht«, erklärte Zoltan Chivay und schaute sich um. »Nun denn, Herr Mediziner, lasst Euch in unser Lager einladen. Wir haben kaltes Pferdefleisch, das werdet Ihr doch nicht verschmähen?«
    Regis blickte ihn lange an. »Danke«, sagte er schließlich. »Ich habe aber einen besseren Einfall. Ich lade zu mir ein. Meine Sommerresidenz ist freilich eher eine Laubhütte als eine Kate, noch dazu klein, übernachten müsst ihr im Freien. Aber bei der Hütte gibt es Quellwasser. Und eine Feuerstelle, wo man das Pferdefleisch warm machen kann.«
    »Wir nehmen mit Vergnügen an.« Der Zwerg verbeugte sich. »Hier mag es ja keine Ghule geben, trotzdem finde ich den Gedanken, die Nacht auf diesem Friedhof zu verbringen, nicht besonders erbaulich. Gehen wir, macht Euch mit dem Rest unserer Gesellschaft bekannt.«
    Als sie sich dem Lagerplatz näherten, begannen die Pferde zu schnauben und zu stampfen.
    »Geht ein wenig aus dem Wind, Herr Regis.« Zoltan Chivay bedachte den Mediziner mit einem vielsagenden Blick.
    »Der Salbeigeruch macht die Pferde scheu, und mich, wie ich zu meinem Leidwesen gestehen muss, erinnert er ans Zähneziehen.«
     
    »Geralt«, murmelte Zoltan, sobald Emiel Regis hinter der Plane verschwunden war, die

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