Feuertaufe
Ranghöchsten, denn ich bin es gewohnt, mich mit meinesgleichen zu unterhalten!«
Die Gepanzerten reagierten nicht, doch ihr Gesichtsausdruck wurde immer unsympathischer, und die eisernen Handschuhe umfassten immer kräftiger die verzierten Zügel. Rittersporn bemerkte es offensichtlich nicht.
»Na, was ist mit Euch?«, fragte er hochmütig. »Was gafft Ihr so, Ritter? Ja, mit Euch rede ich, Herr Schwarzer Pfahl! Was zieht Ihr für ein Gesicht? Wer hat Euch gesagt, dass Ihr, wenn Ihr die Augen zusammenkneift und den Unterkiefer vorschiebt, männlich, tapfer, würdig und bedrohlich ausseht? Dieser Jemand hat Euch angeführt. Ihr seht aus wie jemand, der seit einer Woche nicht das Glück hatte, sich ordentlich ausscheißen zu können!«
»Fasst sie!«, schrie der erstgeborene Sohn des Anselm von Aubry, der Träger des Schildes mit den drei Herzen, den Landsknechten zu.
Der Schwarze Pfahl aus dem Geschlecht derer von Papebrock gab seinem Ross die Sporen. »Fasst sie! Legt das Gesindel in Fesseln!«
Sie gingen hinter den Pferden her, von den Leinen gezogen, die ihre gefesselten Handgelenke mit den Sattelknäufen verbanden. Sie gingen, doch manchmal liefen sie auch, denn die Reiter schonten weder ihre Tiere noch die Gefangenen. Rittersporn fiel zweimal hin und wurde eine Zeitlang auf dem Bauche mitgeschleift, wobei er zum Erbarmen schrie. Er wurde auf die Füße gestellt und ohne besonderes Erbarmen mit dem Lanzenschaft vorwärtsgetrieben. Und weiter ging der Ritt. Der Staub wallte und blendete die Augen, nahm den Atem und kratzte in der Nase. Durst versengte die Kehle.
Eins war tröstlich - die Straße, auf der man sie entlangtrieb, führte nach Süden. Geralt war nun endlich in der richtigen Richtung unterwegs, und das durchaus schnell. Er freute sich jedoch nicht. Denn er hatte sich diese Reise ganz anders vorgestellt.
Das Ziel erreichten sie in dem Augenblick, als Rittersporn von Flüchen, vermischt mit Bitten um Erbarmen, heiser geworden war und der Schmerz in Geralts Ellenbogen und Knie zur wahren Tortur, so schlimm, dass der Hexer anfing, radikale, wenngleich verzweifelte Aktionen zu erwägen.
Sie erreichten ein Militärlager, das unweit eines zerstörten, halb niedergebrannten befestigten Vorpostens lag. In dem Ring von Wachen, Pferdekoppeln und rauchenden Biwakfeuern sahen sie die fahnengeschmückten Zelte der Ritterschaft, die rund um den weitläufigen und belebten Waffenplatz hinter der teilweise eingestürzten und verkohlten Palisade standen. Der Waffenplatz erwies sich als Ende ihrer erzwungenen Wanderung.
Als sie einen Trog zum Tränken der Pferde sahen, zerrten Geralt und Rittersporn an den Leinen. Die Reiter zeigten zunächst keine Neigung, sie an die Tränke zu lassen, doch der Sohn Anselms von Aubry erinnerte sich wohl der vorgeblichen Bekanntschaft Rittersporns mit seinem Vater und geruhte, gnädig zu sein. Sie drängten sich zwischen die Pferde, tranken, wuschen sich mit gefesselten Händen das Gesicht. Ein Rucken an den Leinen holte sie bald schon in die Wirklichkeit zurück.
»Wen habt ihr mir denn da wieder gebracht?«, fragte ein hochgewachsener, feingliedriger Ritter in einer schmelzüberzogenen, reich vergoldeten Rüstung, während er mit einem Streitkolben rhythmisch gegen eine mit Ornamenten verzierte Säbeltasche schlug. »Aber sagt nur nicht, dass das schon wieder Spione sind.«
»Spione oder Deserteure«, bekräftigte der Sohn Anselms von Aubry. »Wir haben sie in dem Lager an der Chotla gefasst, als wir einen Nilfgaarder Beritt zerschlagen haben. Das sind zweifellos verdächtige Elemente!«
Der Ritter in der schmelzüberzogenen Rüstung lachte auf, dann aber betrachtete er Rittersporn aufmerksam, und sein junges, aber strenges Gesicht hellte sich plötzlich auf. »Unsinn. Löst ihre Fesseln.«
»Das sind Nilfgaarder Spione!«, versteifte sich der Schwarze Pfahl aus dem Geschlecht derer von Papebrock. »Besonders der da, der Lumpenkerl, hat ein loses Maul wie ein Dorfköter. Hat sich als Dichter ausgegeben, der Halunke!«
»Dann hat er nicht gelogen.« Der Ritter in dem vergoldeten Panzer lächelte. »Das ist der Barde Rittersporn. Ich kenne ihn. Nehmt ihm die Fesseln ab. Dem anderen auch.«
»Seid Ihr Euch sicher, Herr Graf?«
»Das war ein Befehl, Ritter Papebrock.«
»Du wusstest nicht, wozu ich dir nütze sein kann, nicht wahr?«, murmelte Rittersporn, an Geralt gewandt, während er sich die von den Fesseln taub gewordenen Handgelenke rieb. »Dann weißt du es jetzt.
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