Feuerwellen: Ein erotischer Roman (German Edition)
du bist die Boss«, antwortete der Brite.
»Der Boss«, verbesserte Phoebe, »ich bin der Boss, okay?«
»Na klar«, sagte Leon fröhlich, »du bist der Boss. Sag ich doch.«
Wenn der immer so pflegeleicht ist, dachte Phoebe, dann kann ja nicht mehr allzu viel schiefgehen. Ihre Laune begann sich zu bessern. Sie stellte das Radio an und entspannte sich. Ihr Ziel war ein uralter Laden in Kreuzberg, in dem es ausschließlich Brathähnchen zu essen gab. In den Varianten Hähnchen mit Krautsalat und Hähnchen mit Toastbrot. Die Kneipe bestand nur aus Zigarettenrauch und Bratfett und war das, was leider oft allzu schnell als »Kult« bezeichnet wird. Aber diese alte Pinte mit ihrer verschrobenen Bedienung war tatsächlich kultig. Und so, wie sie Leon bisher einschätzte, würde er das Etablissement bestimmt cool finden. Phoebe hatte sich nicht getäuscht. Leon staunte Bauklötze, als sie das Lokal betraten. Das Publikum war wie fast überall in der Stadt bunt gemischt. Vom Frührentner aus der Nachbarschaft bis zum Abteilungsleiter mit wichtiger Miene war genügend Material vorhanden, um eine ausführliche Milieustudie durchzuführen. Der Popstar war beeindruckt, und Phoebe bemerkte bei einem Seitenblick, dass er tatsächlich geschminkte Augen hatte. Der Kajalstrich war unübersehbar, und sie hätte wetten können, dass auch seine Wimpern getuscht waren.
»Der Huhn ist toll.« Leon aß mit großem Appetit.
»DAS Huhn.« Phoebe bearbeitete gerade den Bollen. Leon sah sie unbekümmert an. Wie alt mochte er sein? Mitte zwanzig? Höchstens.
»DAS Huhn? Ist doch ein Mann, der Huhn, oder?« Leon lachte und nahm einen Schluck Bier. Phoebe winkte ab und grinste. Er war wirklich lustig. Sie prostete ihm zu. Ganz sicher würde es zwischen ihnen gut laufen. Er schien ein harmloses Kerlchen zu sein. Komisch, dass ihr Vater jemanden wie ihn beschäftigte – und dann auch noch zum Kontrollbesuch nach Berlin schickte.
» Thank you . Der Huhn, ich meine das Huhn … war delicious . For sure. « Seine Fettfinger griffen ihre Hand, dann drückte er ihr einen schmatzenden Kuss darauf. Er lächelte selig. Kein Zweifel, Leon war betrunken. Phoebe zahlte und lieferte ihn nach einer halbstündigen Fahrt im Hotel ab. Sie hatte ihn in Mitte eingebucht, wo sich mittlerweile die Designhotels die Klinke in die Hand gaben. Ihr war daran gelegen, dass Leon begriff, wie hip Berlin war. Sie winkte ihm nach, als er auf der mit purpurfarbenem Teppichboden belegten Treppe nach oben stolperte.
»Gute Nacht, Boss!«, rief Leon ihr noch nach, dann war er hinter dem nächsten Treppenabsatz verschwunden.
»Nein, Falk, das mache ich nicht.« Phoebe hatte ihre Arme verschränkt und stand mit dem Kunsthändler vor einem französischen Restaurant in der Kantstraße. Dem Wohnzimmer des alten Berlins, wie er es immer nannte. Hier kannte jeder jeden. Falk betrachtete sie mit Nachsicht und gab ihr einen zarten Kuss.
»Du musst noch eine ganze Menge lernen, kleine Phoebe«, sagte er sanft, um dann in geschäftsmäßigem Ton nachzusetzen, »wir haben eine Abmachung, Madame. Und die hat zum Inhalt, dass du machst, was ich will, wann ich will und wo ich will. Also. Keine Szene. Zieh dein Höschen aus.«
Phoebe blickte in das Szenelokal und betrachtete die Gäste, allesamt Mitglieder der Berliner Gesellschaft. Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie jemals so gedemütigt worden war.
»Aber man kennt mich hier«, sagte sie leise.
»Genau deshalb«, erwiderte Falk knapp, »und nun runter mit dem Ding. Aber schön langsam.«
Phoebe war übel. Falk zeigte ihr in jeder Sekunde, dass er sie in der Hand hatte. Sie griff unter ihr Kleid und zog den String herunter.
»Braves Kind.« Er nahm ihr das Nichts aus Seide und Spitze ab und drapierte es wie ein Einstecktuch in seiner Reverstasche. Phoebe zitterte vor Wut. Dann nahm er sie an den Arm und führte sie in das Restaurant. Aufmerksam betrachtete sie die Gäste. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Der Tisch, der ihnen zugewiesen wurde, befand sich in der Mitte des Raumes. Phoebe stutzte. Für gewöhnlich akzeptierte Falk eine solche Plazierung nicht, aber heute strahlte er über das ganze Gesicht. Sie hätte ihn ohrfeigen können. Sie suchte sich einen Platz aus und wollte sich setzen. Der Kellner stand bereits hinter ihr, um ihr den Stuhl zurechtzurücken, da intervenierte Falk mit einem lauten »Nein!« Für einen Moment hatten sie die Aufmerksamkeit aller benachbarten
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