Feuerwogen
fragen, warum ich so plötzlich wieder auftauche.«
»Nicht ganz so plötzlich«, widersprach Conn. »Schließlich warst du auf der Hochzeit deines Bruders.«
Was Dylan nun bereute. »Das ist wohl kaum dasselbe. Ich musste nicht mit ihnen sprechen.«
Oder mit seinem Vater. Oder seiner Schwester.
Ihm brach der Schweiß auf der Oberlippe und unter den Armen aus.
»Sie werden wissen wollen, warum ich da bin.«
»Die Menschen haben doch diese Geschichte, oder? Die vom verlorenen Sohn.«
»Ich glaube nicht, dass mein Bruder«
– der gute Sohn, der, der bei seinem Vater geblieben war –
»mir diese Erklärung für meine Rückkehr abkaufen wird.«
»Dann wirst du ihm eben eine andere auftischen müssen«, entgegnete Conn kühl. »Du kannst dir ja eine Ausrede ausdenken, die er schlucken wird.«
Unwillkürlich erschien erneut die Frau in seiner Phantasie, das Kinn ins Mondlicht gereckt, den Slip zusammengeknüllt in der Hand.
»Ja«, sagte Dylan langsam. »Das kann ich.«
Regina zählte die Zwanziger in der Schublade der Registrierkasse.
Vierzig, sechzig, achtzig …
Der Mittagsansturm war vorüber, und die Touristen hatten das Lokal verlassen, um noch die Fähre um halb drei aufs Festland zu erwischen. Die Nachmittagssonne fiel schräg durch die verblichene rote Markise des Restaurants herein und wärmte die Vinylsitzecken mit den Tischen und den zerkratzten Holzboden auf. Jenseits des Spiegelglasfensters funkelte der Hafen blau und leuchtend, und Boote dümpelten an der Ankerleine im ruhigen Wasser.
Margred lud Gläser von einem verlassenen Tisch auf ein Tablett. Ihre Bewegungen waren so lässig und anmutig wie die der Lokalkatze. Sie und Caleb waren gestern von ihrem Zwei-Tages-Ausflug nach Portland zurückgekehrt.
»Okay.« Regina wickelte ein Gummiband um die Scheine. »Wie waren eure Flitterwochen?«
Margred lächelte träge. »Zu kurz.«
Regina lachte und ignorierte ihre eigene Wehmut. »Damit musst du rechnen, wenn du mitten in der Hochsaison den einzigen Polizisten auf der ganzen Insel heiratest. Wenn du bis September gewartet hättest, wäre er mit dir in richtige Flitterwochen gefahren. Nach Hawaii vielleicht. Oder Paris.«
»Ich will aber nicht nach Paris.« Margreds Lächeln wurde breiter. »Und Caleb wollte nicht warten.«
Regina unterdrückte einen Anflug von Neid. War sie schon jemals so glücklich gewesen? So begehrt? So … voller Vertrauen?
»Ich war überrascht, seinen Bruder auf der Hochzeit zu sehen«, sagte sie.
»Dylan?« Margred senkte den Kopf und beugte sich vor, um den Tisch abzuwischen. »Hat er dir gefallen?«
»Ich habe kaum mit ihm gesprochen.«
Nein, sie hatte nur am Strand Sex mit ihm gehabt. Wirklich außergewöhnlichen Sex. Aber kein tiefergehendes Gespräch.
Ihr Gesicht brannte.
Sie war nicht auf der Suche nach etwas Tiefergehendem, rief sich Regina ins Gedächtnis. Und er offenbar auch nicht. Jedenfalls nicht bei ihr.
»Aber dich schien er zu kennen«, fügte sie hinzu.
Margreds Lappen hielt inne. »Er ist Calebs Bruder.«
»Von früher, meine ich.« Regina wischte sich die schwitzenden Handflächen an der Schürze ab. »Er hat gesagt, dass er dich von früher kennt.«
»Hat er das?« Margred nahm ihre langsamen, gleichmäßigen Wischbewegungen über den Tisch wieder auf. »Was hat er denn noch gesagt?«
Vor Reginas geistigem Auge erschien Dylans hartes Gesicht.
»Ich bin nicht wegen meines Bruders hergekommen.«
Sie räusperte sich. »Eigentlich nichts. Ich fand es nur interessant. Weil du ja dein Gedächtnis verloren hast und so.«
»Aha.«
Lass es gut sein,
sagte sich Regina.
Nicht dein Problem. Das geht dich nichts an.
»Also – woher kennst du ihn?«
Margred richtete sich mit dem Lappen in der Hand auf. »Neugierig?«
Regina blickte sie kühl an. »Besorgt. Verdammt, du bist meine Freundin.«
Meine Angestellte.
Calebs Frau.
»Dann bin ich das also. Und als deine Freundin sage ich dir, dass du besser damit aufhören solltest.«
Regina schloss die Registrierkasse mit einem kräftigen Rums. »Okay.«
Margreds Gesichtsausdruck wurde milder. »Ich verspreche, dass es in unserer Beziehung nichts gibt, gegen das Caleb etwas haben könnte.«
»Weiß er das?«, fragte Regina, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.
»O ja. Ich habe keine Geheimnisse vor Caleb.«
»Ich wette, der Gedächtnisverlust ist dabei ganz hilfreich«, murmelte Regina.
»Bitte?«
Die Glocke über der Tür erklang. Jane Ivey, die Besitzerin des örtlichen
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