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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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die Fähre und die lokalen Geschäfte waren auf die Touristen und die Einwohner ausgerichtet, nicht auf die Obdachlosen.
    Der Mann nahm den Rucksack von seinen breiten, knochigen Schultern und ließ ihn auf den Boden fallen. »Ich suche Arbeit.«
    »Wie heißen Sie?«, wollte Regina wissen.
    »Jericho.«
    »Nachname?«
    »Jones.«
    Wenigstens hatte er einen Nachnamen. Das war mehr, als Margred zu bieten gehabt hatte, als sie ihren Job angetreten hatte.
    »Haben Sie Restauranterfahrung, Mr. Jones?«
    Sein Blick wanderte zu ihr, und sie hielt unwillkürlich die Luft an.
    Alain hatte immer gesagt, dass Augen die Fenster zur Seele seien. Regina nahm an, dass es vor allem ein Spruch gewesen war, um sie ins Bett zu locken, aber sie wusste, was er gemeint hatte. Man sah es, wenn niemand zu Hause war. Aber dieser Bursche … Seine Augen waren übervoll, gehetzt, als befänden sich zu viele Menschen in seinem Kopf und drängelten sich um die besten Plätze an den Fenstern.
    Schizophrenie? Oder Drogensucht?
    Es kümmerte sie nicht so sehr, was er einwarf. Das halbe Personal bei
Perfetto’s
war von irgendetwas abhängig gewesen, Alkohol oder Drogen oder nach dem Adrenalinkick eines perfekten Abendmenüs. Aber sie würde keinen Verrückten in der Küche ihrer Mutter anstellen, in dem Haus, in dem ihr Sohn lebte.
    »Nennen Sie mich Jericho«, sagte er.
    Sie räusperte sich. »Okay. Haben Sie …«
    »Ich habe bei der Armee Geschirr gespült.«
    Margred stellte ihr Tablett auf dem Tresen ab. »Sie waren in der Armee?«
    Er nickte.
    »Irak? Mein Mann war im Irak.«
    »Ja, Ma’am.«
    Regina unterdrückte ein Ächzen. Es war klar, dass er das sagen würde. Er hätte wahrscheinlich alles gesagt, um einen Job zu ergattern. Oder ein Almosen.
    »Wir stellen niemanden ein«, erwiderte Antonia.
    Margred runzelte die Stirn. »Aber …«
    Jericho hob den Rucksack wieder hoch. »Okay.«
    Das war’s. Kein Groll. Keine Erwartungen. Dass er es einfach so hinnahm, ging Regina unter die Haut; es machte sie irgendwie zu Verbündeten.
    Sie setzte ein finsteres Gesicht auf. Niemand sollte so vollkommen ohne Hoffnung leben müssen. »Wenn Sie einen Augenblick warten, mache ich Ihnen ein Sandwich«, meinte sie.
    Er wandte den Kopf, und sie musste sich zwingen, diesem gehetzten, gespenstischen Blick ohne Schaudern zu begegnen.
    »Danke«, sagte er endlich. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich erst etwas frisch mache?«
    »Kein Problem.«
    »Wenn er die Toilette verdreckt, machst du sie sauber«, bellte Antonia, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
    »Ich kann das machen«, warf Margred ein, bevor Regina zurückgiften konnte.
    Antonia schnaufte. »Wir können nicht jedem zu essen geben, der von der Straße hereinkommt, das weißt du doch.«
    Regina war verärgert genug, um ihre eigenen Zweifel beiseite zu schieben. »Dann haben wir uns vielleicht den falschen Beruf ausgesucht«, sagte sie und stapfte in die Küche, um dem Mann sein Sandwich zu machen.
    Im Vorbeigehen sah sie die Treppe zur Wohnung hinauf. Nick war bereits in der Küche gewesen, um zu Mittag zu essen und Löcher in den Pizzateig zu bohren. Aber sie konnte ihn zu einem Snack herunterrufen und nach draußen zum Spielen scheuchen. Der Sommer war für sie beide immer hart. Die Schule war zu Ende, während das Restaurant länger geöffnet hatte. Nick hatte mehr Freizeit und Regina weniger.
    In diesem Sommer war es aus irgendeinem Grund schlimmer gewesen. Vielleicht, weil Nick nun alt genug war, sich den Anordnungen seiner Mutter zu widersetzen. Regina rieb über die Stelle zwischen den Augenbrauen, hinter der die Kopfschmerzen lauerten. Sie hätte eigentlich in der Lage sein sollen, Verständnis dafür aufzubringen.
    »Nick«, rief sie.
    Er antwortete nicht. Schmollte er? Sie war an diesem Vormittag ziemlich kurz angebunden gewesen.
    Er ist beschäftigt, dachte Regina schuldbewusst und versuchte, nicht an Samstagabend und an Dylans Hände auf ihren Hüften zu denken, während er sich dick und glatt in ihr bewegt hatte.
    Kein Sex am Strand war so wichtig wie ihr Sohn.
    »Nicky?«
    Der Restaurantkater, Herkules, miaute klagend von oben auf der Treppe.
    Keine Antwort.
    Sorge machte sich in ihr breit. Auf World’s End kannte jeder jeden. Jeder Nachbar hatte ein Auge auf die Kinder der anderen. Hier gingen die Kinder noch allein zum Einkaufen, spielten noch ohne Aufsicht am Strand.
    Aber sie hatte Nick eingeschärft, nicht das Restaurant zu verlassen, ohne ihr Bescheid zu

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