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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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zusammen, drückte ihm die Luft ab. Er konnte kaum noch atmen. Er wollte einfach nur weg, weg und in die Freiheit der See zurückkehren.
    Er stand unbewegt bei den Klippen, während die Frau – Regina – an ihren Sandalen nestelte.
    »Okay.« Sie richtete sich wieder auf und durchbohrte ihn mit einem breiten Lächeln. »Dann noch eine schöne Zeit auf der Insel.«
    »Ich gehe noch heute Nacht.«
    Ihr Lächeln wurde unsicher, erstarrte. »Oh. Dann werden wir uns wohl nicht wiedersehen.«
    Ihr beiläufiger Klaps auf seinen Oberschenkel, diese unbekümmerte Berührung, versengte ihn wie ein Brandzeichen. Die Mer berührten sich nicht. Nur im Kampf oder bei der Paarung.
    Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
    »Nein«, erwiderte er.
    Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um.
    Er stand regungslos da, während sie den Strand entlangstöckelte, auf die Lichter und die Musik zu, und ihn allein ließ.

[home]
    3
    D er Turm von Caer Subai, geschaffen aus Nebel und Magie, war sehr alt. Doch der Prinz war noch älter und müde von der Last der Jahre und der Verantwortung. Solange er sich in diesem Turm auf der Selkie-Insel Sanctuary aufhielt, alterte er allerdings nicht. Er würde nicht sterben.
    Conn ap Llyr, Prinz der Mer, Herr über die See, blickte gen Westen aus seinen Fenstern und lauschte dem Lied des Meeres, das von den Felsen unter ihm aufstieg, und dem Nordwind, der sich, schneidend wie ein Messer, durch die Mauerritzen stahl. Er konnte die Anwesenheit des Dämons spüren, auch wenn er eine halbe Welt entfernt war, wabernd wie ein Ölteppich, der dunkel und zerstörerisch an die Gestade der Insel schwappte, die die Menschen World’s End nannten.
    Conn scherte sich einen Dreck darum, ob die Menschen von Dämonen überrannt wurden und ihre Insel im Meer versank. Seit Jahrtausenden hielten die Kinder der See einen unsicheren Frieden mit den Dämonen, einen Frieden, der nichts mit Stolz und eigenen Interessen zu tun hatte, der ein Konstrukt aus Kompromissen und gebrochenen Versprechen war und trotz jahrhundertelanger Verstöße und Übergriffe verteidigt wurde. Einen Frieden, von dem er glaubte, dass er von Bestand sein würde.
    Bis vor sechs Wochen, als ein Dämon eine aus Conns Volk auf World’s End ermordet hatte.
    Er klammerte sich an die Kante seines Schreibtischs, eines massiven Möbelstücks aus Eisen und geschnitztem Walnussholz. Es war aus einer spanischen Galeone geborgen worden, die vor der Küste von Cornwall Schiffbruch erlitten hatte. Alles, was über und in der See war, alles, was darin unterging, konnte er für sich beanspruchen oder beseitigen. Neun Zehntel der Erde waren sein Reich. Und doch war ihm der Dämon entkommen.
    Seine Gedanken wandten sich nach draußen; strudelnd, kreisend in der Dunkelheit, gingen sie auf die Suche nach deren Quelle, nach deren Gefahren. Ebenso gut hätte er versuchen können, einen einzelnen Tropfen in einem Fluss aufzuspüren. Der Dämon entzog sich seinem Zugriff und versteckte sich in der bewegten Flut der Menschen.
    Conn senkte den Kopf, den bitteren Geschmack des eigenen Versagens im Mund. Der Hund, der zu seinen Füßen schlief, zuckte zusammen und winselte. Jenseits der Turmfenster lag die leuchtende See, wild, weit und tief, außerhalb seiner Reichweite, seiner Herrschaft spottend.
    Es hatte eine Zeit gegeben – die Wale sangen noch heute davon –, in der die Macht der Meeresherren kaum Grenzen kannte, in der die Mer mit jedem Geschöpf auf und in der See im Einklang lebten, in der sie Gletscher herbeirufen oder in einen Regenschauer gehüllt an andere Orte reisen konnten. Sogar Conns eigener Vater, Llyr, hatte, bevor er die menschliche Gestalt und jede Verantwortung ablegte …
    Aber Conn war nicht fähig, ohne Wut an den abtrünnigen König zu denken, und Wut war noch etwas, das sich zu versagen er gelernt hatte. Bedächtig öffnete er die geballten Fäuste und legte sie auf die Landkarte auf seinem Schreibtisch.
    In den letzten Jahrhunderten waren die Kräfte des Meereskönigs in gleichem Maße geschwunden wie die Zahl seiner Untertanen. Dem Erben des Meereskönigs blieb nur noch zu tun, das zu schützen, was noch übrig war, mit allem, dessen er habhaft werden konnte.
    Schritte wurden auf der Turmtreppe laut.
    Conn blickte auf, als Dylan von unten auftauchte. Sein Kopf stieß fast an das Gewölbe aus roh behauenen Steinen.
    Hier war ein Werkzeug. Oder eher eine Waffe. Dylan war ehrgeizig und listenreich, ein Sohn der Meereshexe Atargatis und ihres

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