Feuerwogen
es ihr die Sprache. Sie war nicht Buffy. Sie kannte sich mit Dämonen nicht aus. Sie war eine neunundzwanzigjährige Abteilungsköchin mit einem acht Jahre alten Sohn. Sie zwang sich, weiterzusprechen. »Er ist doch mit ihm eingesperrt. Mir kann also nichts passieren.«
»Nein. Dein Kreuz hat den Dämon aus Jones ausgetrieben. Er wird sich einen neuen Wirt suchen und wiederkommen. Er ist hinter dir her.«
»Warum?« Das Wort war fast ein Schluchzen. Sie hustete.
Dylan wartete, während sie einen Schluck Wasser trank. Als sie das Glas abstellte, sagte er sanft: »Ich glaube nicht, dass der Dämon deinen Tod will.«
»Klar. Er hat mich nur aus Spaß halb erwürgt und in das Loch geworfen.«
Sein Mund wurde eine schmale Linie. »Ich hätte sagen sollen: Dein Tod ist nicht sein vordringliches Ziel.«
»Aber was will er dann von mir? Ich habe nichts …«
»Das Kind.« Dylans Blick suchte den ihren. »Dein und mein Kind.«
O Gott.
Ihr blieb die Luft weg, und ihr Gesichtsfeld trübte sich. Einen Augenblick lang war sie wieder in der Höhle, in der eisigen Dunkelheit.
Dylan ließ sie nicht aus den Augen. Sein glattes, schönes Gesicht wirkte versteinert und verbarg seine Gedanken und Gefühle. Sie wünschte, dass er sie berühren, ihre Hand halten möge.
Sie zwang sich zum Luftholen. Okay. Von allen Schwangerschaftsgeschichten, von denen sie gehört hatte oder die sie sich vorstellen konnte, musste die mit dem Titel »Dämonen haben es auf dein Ungeborenes abgesehen« die allerschlimmste sein. Wenigstens erklärte das, warum sie überfallen worden war. Irgendwie jedenfalls. Und warum Dylan nicht von ihrer Seite wich.
Heute Nacht.
Sie befeuchtete die Lippen. »Ich weiß noch gar nicht, ob ich schwanger bin. Ich meine: ganz sicher.«
»Und wann wirst du es wissen?«
»Morgen. Ich habe einen Termin bei der Ärztin.«
»Ich glaube, dass du schwanger bist. Du riechst so … anders.«
Gut anders oder schlecht anders? Sie schob den Gedanken beiseite. »Hast du schon an vielen Schwangeren geschnuppert?«
»Nein, du bist die erste.« Seine dunklen Augen flackerten. »Bei den Mer werden nicht mehr viele Kinder geboren.«
»Dieses Baby ist also wichtig, oder? Falls es, na ja, ein Selkie wird.«
»Ein Selkie und ein Mädchen.«
»Du wünschst dir ein Mädchen?«
Dylan holte so tief und bedacht Luft wie sie eben. »Meinem Volk wurde die Ankunft eines Kindes geweissagt«, begann er. »Eine Tochter aus dem Hause Atargatis’, die das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Himmel und Hölle verändern wird. Atargatis war meine Mutter. Wenn du nun eine Tochter bekommst, deine und meine, wäre sie Atargatis’ Nachkomme.«
Sie brauchte einen Moment, um es zu verstehen. »Dann … sind wir auf der Seite des Himmels?« Damit fühlte sie sich besser. Ein bisschen.
Dylan wich ihrem Blick aus. »Nicht ganz genau.«
Der Kloß in ihrem Hals wurde so groß, dass sie ihn nicht mehr hinunterschlucken konnte. »Aber wo stehen wir dann? Und bitte ganz genau.«
»Als Gott die Menschen erschuf, gerieten die Elementargeister darüber in Streit. Die Kinder der Luft begrüßten sein Tun wie alles andere auch, was er tat. Nicht so die Kinder des Feuers – die Dämonen. Doch die Mehrheit der Ersten Schöpfung, die Kinder der Erde und die Kinder der See, kamen darin überein, dass sich Seine Weisheit schon von selbst rechtzeitig offenbaren würde. Oder nicht.« Dylan lächelte bitter. »Bis dahin wollten sie sich – wollten wir uns – ins Herz der Berge und in die Tiefen der Meere zurückziehen. So lange, bis die Menschheit sich entweder bewährt oder zerstört hätte. Wir ergreifen niemals Partei.«
»Ihr seid also neutral.« Wie die Schweiz.
»Mein Volk schon.«
Regina hörte heraus, dass es offenbar Unterschiede gab. Sie erblickte hinter dem dünnen, scharfen Lächeln den Aufruhr in seinen Augen. Er war nicht so neutral oder gleichgültig, wie er vorgab.
Diese Erkenntnis machte ihr Hoffnung.
»Okay, mein Volk sind die Menschen«, sagte sie. »Was bedeutet, dass mein Kind mindestens zur Hälfte ein Mensch ist.«
»So funktioniert das nicht. Man kann das nicht nach Prozenten bemessen«, erwiderte Dylan. »Es gibt keine Abstufungen. Man ist ein Mensch oder nicht. Man ist ein Selkie oder nicht. Das Kind wird das eine oder das andere sein.«
Sie hörte seine kühle, knappe Stimme und sah die steife Haltung seiner Schultern, und ihr Herz schmerzte, wegen der Entscheidungen, die ihm seine Mutter aufgezwungen hatte, wegen der
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