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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Verstörung des Jungen, der er gewesen, wegen der Einsamkeit des Mannes, zu dem er geworden war.
    Aber er hatte unrecht.
    »Was für ein Blödsinn«, widersprach Regina. »Familie ist Familie.«
    Dylan hob eine Augenbraue. »Blut ist dicker als Wasser?«
    War es so? Oder nicht? Würde sie das Kind lieben können, das in ihr war, auch wenn es … anders sein würde?
    »Ja«, antwortete sie wagemutig.
    »So sicher«, spöttelte Dylan. »Und so blind. Willst du ernsthaft so tun, als würdest du mich jetzt nicht mit anderen Augen sehen, jetzt, da du weißt, was ich bin? Mein Bruder und ich sind nicht dasselbe.«
    »Stimmt«, murmelte Regina. »Er ist kein Trottel.«
    Seine schwarzen Augen funkelten belustigt. »Zum Beispiel.«
    »Und er hat mich nicht gefunden. Er hätte mich nicht retten können. Aber du hast es getan. Dein Robbentrick ist also ziemlich nützlich.«
    »Wie Lassie, die Timmy aus dem Brunnen zieht«, bemerkte Dylan.
    Regina kniff die Augen zusammen. Sie kannte diesen ironischen, herausfordernden Ton. Schließlich war sie die Mutter eines Sohnes. Dylan war weniger selbstsicher, hatte sich und die Situation weniger im Griff, als er jemals zugeben würde. Ein Teil von ihr wollte ihn beruhigen, so wie sie Nick beruhigen würde. Ein anderer Teil von ihr nahm es übel, dass sie es überhaupt versuchen musste. Sie war müde und angeschlagen und schwanger, und ihr Hals tat weh. Er war hier, nicht weil er es wollte, nicht weil er sie wollte, sondern weil das Baby, das sie erwartete, eine Rolle in einer Art Außerirdischenkrieg spielen konnte.
    Falls es ein Selkie und ein Mädchen wird.
    Und wenn nicht, dann wäre er auf und davon. Was hieß, dass sie genau das war, was sie auch schon vorher gewesen war: eine alleinerziehende Mutter mit einem beziehungsweise nun mit zwei Kindern.
    Sie schob den Stuhl zurück. »Der Termin ist um zehn.«
    »Ich komme mit«, sagte er sofort.
    Als wäre es ihm wichtig.
    Natürlich war es das nicht. Sie konnte nicht zulassen, dass sein süßes Angebot sie zu der Annahme verleitete, sie könnte sich auf ihn verlassen.
    »Ich wollte dich nicht bitten. Aber ich dachte, ich sage dir Bescheid, für den Fall, dass es Tests gibt, die die Ärztin machen sollte. Oder die sie besser nicht machen sollte.«
    »Das Kind wurde in menschlicher Gestalt gezeugt. Es kann ebenso gut ein Mensch sein. Jedenfalls wird es bis zur Pubertät Menschengestalt haben.«
    Bis es dreizehn wurde. Der Gedanke, einen halbmenschlichen Halbwüchsigen – Junge? Mädchen? – durch den sexuellen Reifungsprozess führen zu müssen, erschreckte sie. Wie sollte sie das schaffen?
    Wie hatte Dylan das geschafft?
    »Wunderbar.« Ihr gelang ein Lächeln. »Ich habe mich schon gefragt, wie ich meiner Mutter das Aquarium neben der Krippe erklären soll.«
    Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Sein Blick war hitzig. »Regina …«
    Sie zog das Sweatshirt enger an den Körper. »Nicht jetzt. Bitte. Ich bin …«
Am Ende. Verängstigt. Überfordert.
»Todmüde. Wir sehen uns morgen.«
     
    Dylan starrte auf die weiße Tür, die zu Reginas Schlafzimmer führte. Sie hatte seine Erklärungen akzeptiert. Sie war bereit, seine Anwesenheit und seinen Schutz zu tolerieren. Das genügte.
    Er erwartete nicht, dass es sie nach seiner Gesellschaft oder seinem Trost verlangte. Innerhalb von Wochen hatte er ihr ihren Frieden genommen, ihr Leben in Gefahr gebracht und die Grenzen ihrer Gutgläubigkeit strapaziert. Sie brauchte Zeit, um sich zu erholen und zu schlafen. Sie brauchte Freiraum.
    Das verstand er. War es nicht das, was auch er wollte? Was er immer gewollt hatte. Keine menschlichen Erwartungen, keine chaotischen emotionalen Verwicklungen. Bis in alle Ewigkeit im Meer zu leben mit seinen Launen, dem wechselnden Wetter und den endlosen, wechselnden Partnerinnen.
    Da war es doch egal, dass die eine, die er wollte, gerade ohne ihn ins Bett gegangen war.
    Er stellte sich vor, wie sie sich auszog – das unförmige Sweatshirt und die weiche schwarze Hose – und allein unter die Decke kroch. Er sollte bei ihr da drin sein. Wenn er bei ihr wäre, könnte er sie beruhigen. Er könnte sie mit seinen Händen berühren, diese glatte Haut, ihre zarte Weichheit, das Salz auf ihrer Haut schmecken und die Schroffheit ihres Mundes, hart in sie hineingleiten, rosa, feucht,
seine
Frau …
    Er unterbrach seine Gedanken, als er stoßweise zu atmen begann, erschrocken über das, was er dachte, und darüber,
dass
er es dachte.
    Nicht
seine Frau.
    Er war

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