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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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schlief, hat er ihr das Fell gestohlen und versteckt.«
    »Sie hat ihn immer wieder besucht«, wiederholte Regina.
    Er hätte wissen müssen, dass sie sich auf das Falsche stürzen würde. Sie war ein Mensch
und
eine Frau. Unfähig, die Bedürfnisse zu verstehen, die seinesgleichen hatte.
    »Ja.«
    »Sie muss ihn also irgendwann einmal attraktiv gefunden haben.«
    »Das gab ihm allerdings nicht das Recht, sie ans Land zu fesseln«, erwiderte Dylan steif. »Sie zu kontrollieren.«
    »Und trotzdem ist sie dreizehn – vierzehn? – Jahre bei ihm geblieben.«
    Er funkelte sie an. »Sie hatte keine Wahl.«
    »Sie hatten drei Kinder.«
    Dylan konnte nicht antworten. Er war es, der das Fell seiner Mutter gefunden hatte. Er hatte es ihr gebracht und damit seine Familie zerstört.
    Er sah sie an, sprachlos, aufgewühlt von den Gefühlen, die in ihm tobten. Als ob er wieder dreizehn wäre, beschämt und verwirrt von den Veränderungen, die in seinem Körper vor sich gingen, hin- und hergerissen zwischen der Anhänglichkeit und Zuneigung eines Kindes und seiner tiefen, verzweifelten Sehnsucht nach der See.
    Seine Atmung beruhigte sich. Er war nicht mehr dieses Kind, rief er sich ins Gedächtnis. Er war nicht das Opfer von Gefühlen oder von irgendetwas anderem. Er war ein Selkie, unempfindlich, unsterblich.
    »Weiß Caleb davon?«, forschte Regina und warf ihn zurück ins kalte Wasser der menschlichen Gefühle und Beziehungen. »Dass du und deine Mutter so etwas seid wie …«
    Seine Augen verengten sich. »Freaks?«, fragte er leise.
    Sie verschränkte die Arme über dem Bauch. »Ich wollte Meerjungfrauen sagen, aber du kannst dich natürlich nennen, wie du willst. Also: Weiß er davon?«
    »Ja, er weiß es. Er hat Erfahrungen mit … Meerjungfrauen.«
    Ihr blieb der Mund offen stehen. »O mein Gott«, japste sie. »Maggie?«
    Margred war ihre Freundin, dachte Dylan, und ein merkwürdiger Druck schnürte ihm die Brust zusammen. Sicherlich würde sich Regina, die ihren Freunden so treu ergeben war und die so ein freundliches Herz hatte, nicht von Margred abwenden, obwohl sie eine Selkie gewesen war. Und wenn sie sich nicht von Margred abwandte, dann … Aber er dachte den Gedanken lieber nicht zu Ende.
    Er nickte.
    »Wow. Das ist … wow.« Regina griff nach ihrem Wasser. Sie trank einen Schluck, die Hand fest um das matte Glas geschlossen, und beobachtete ihn dabei über den Rand hinweg. »Und was ist mit Lucy?«
    »Lucy ist ein Mensch. Ich habe es dir ja schon gesagt.«
    »Ja, aber weiß sie es?«
    »Es gibt keinen Grund, warum sie es wissen sollte. Sie war erst ein Jahr alt, als wir … gegangen sind.«
    »Nick war erst drei Monate alt, als wir von Boston hierhergezogen sind, aber er weiß trotzdem, wer sein Vater ist.« Regina trank noch einmal. »Was sein Vater ist.«
    »Die Situation ist doch eine ganz andere«, widersprach Dylan.
    »Ach ja?« Mit zitternder Hand stellte sie das Glas ab. »Aber warum erzählst du es mir dann?«
    Damit sie nicht in Gefahr geriet.
    Ob das Kind in ihrem Leib nun die Erfüllung einer uralten Prophezeiung war oder nur eine Schachfigur in den Grenzkriegen der Elementargeister, die Dämonen würden sich nicht zurückziehen, nachdem ihr erster Angriff fehlgeschlagen war. Das Leben des Kindes war noch immer bedroht. Regina schwebte noch immer in Gefahr. Dylans Magen krampfte sich zusammen.
    »Weil du es verdient hast, das zu wissen«, antwortete er kühl.
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte ihn herausfordernd aus klugen Augen an. »Okay, du hast es mir also gesagt. Und jetzt? Willst du mich jetzt immer wieder
besuchen
kommen, wie deine Mom es bei deinem Dad getan hat?«
    Er registrierte die Anspannung in ihrem schnippischen Tonfall, die Nervosität, die sich hinter ihrer lässigen Körperhaltung verbarg. Hatte nicht auch er gelernt, seine eigene Angst und Unsicherheit auf diese Art zu verschleiern?
    Dylan setzte ein finsteres Gesicht auf. Für ihn war es eine Sache, seine Gefühle zu leugnen oder zu kaschieren. Er war kein Mensch. Er war keine Frau und auch nicht schwanger. Er war nicht von einem Dämon, der nichts als seine Auslöschung im Sinn hatte, fast erwürgt und in ein schwarzes Loch geworfen worden. Die Stärke ihres Geistes, die Sachlichkeit, mit der sie ihre Ziele verfolgte, während ihre Welt auf den Kopf gestellt wurde, flößten ihm Respekt ein und ärgerten ihn zugleich. Konnte sie nicht dieses eine Mal zurückstehen und es ihm überlassen, sich um alles zu

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