Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
eng.
Greysteel saß neben ihr, bis sie eingeschlafen war. Dann ging er an den Spiegel und begutachtete seinen Torso, indem er sich drehte und wendete und seine Blatternnarben zählte. Es ist ein Wunder, dass ich überlebte! Er griff zu einem Tiegel der Gesichtscreme, die Velvet gemischt hatte, und betupfte damit seine Wunden. Entgegen der vorherrschenden Meinung, dass Wunden besser abheilten, wenn man Luft daranließ, hatte seine Erfahrung ihn gelehrt, dass man gut daran tat, sie feucht zu halten, bis der Schorf abfiel. Auch nachher war es ratsam, sie mit einer Salbe zu behandeln. Er wusste aus der Praxis, dass Feuchtigkeit die Heilung beschleunigte und Narbenbildung reduzierte. Er beschloss, mit seinen Bläschen zu experimentieren, damit er sein Wissen bei Velvet anwenden konnte, falls sie überlebte. Er zog ein Hemd an. Hinweg mit diesem Gedanken – sofort! Sie wird überleben!
Während der nächsten drei Tage wurde Velvets Überleben immer zweifelhafter, als ihr Fieber immer höher stieg, bis sie ins Delirium verfiel und dann zu erbrechen anfing.
Entsetzt starrte sie ihn an. »Anne verlor ihr Kind, und ich werde meines verlieren! Sie bekam Blutungen im Empfangssaal, und ich versuchte, es vor allen zu verbergen.«
Für Greysteel ergaben ihre Worte keinen Sinn. »Du blutest nicht, Liebling, mein Wort darauf. Vertrau mir, Velvet.«
In jener Nacht lag Greysteel neben ihr auf dem Bett. Es half ihm, wieder zu Kräften zu kommen, und Velvet war viel ruhiger, wenn er mit ihr sprach und ihr tröstende, beschwichtigende Worte zuraunte. Er hielt ihre Hand fest, damit sie ihn nicht verlassen konnte.
Als er am Morgen sah, dass sich Wasserbläschen gebildet hatten, wusste er, dass ihr Fieber nun sinken würde. Ihre Male zeigten sich seitlich am Rumpf und nicht so sehr an Brust oder Rücken. Einige hatte sie an der Innenseite der Arme an der wärmsten Stelle ihres Körpers. Eines hatte sich über der linken Brust gebildet, und eines, das Greysteel fast das Herz brach, saß auf ihrer rechten Wange.
Ihre Haut war so perfekt, ohne den geringsten Makel . Wie konnte ein gütiger Gott so grausam sein? Wie konntest du Velvet dies antun und mein Gesicht unversehrt lassen? Rasch sagte er sich, dass dies unwichtig war. Wichtig war nur, dass sie überlebte. Mir macht es nichts aus, Velvet aber umso mehr.
Er wusste, dass das schlimmste Stadium noch bevorstand. Wie würde seine geliebte Frau es ertragen, wenn sich die Bläschen mit Eiter füllten? Er wusste, dass sie während der Fiebertage, als sie nichts essen konnte, Gewicht verloren hatte. Nun befürchtete er, dass sie nicht mehr die Kraft hatte, diese schwere Krankheit zu erdulden. Ein Wunder war ihnen bereits widerfahren, als er die Blattern überlebte. Nun bedurfte es göttlichen Eingreifens, wenn sich ein zweites Wunder ereignen sollte. Im Moment aber hatte Greysteel für Gebete keine Zeit. Er musste Velvet zu trinken geben und sie mit Wasser abkühlen.
Zwischen den Schlucken fragte sie voller Angst: »Und mein Kind?«
»Das Kleine ist nicht gefährdet, mein Liebes. Vertrau mir, Velvet.«
Sie trank das bittere Gebräu aus. »Es ist dein Kind.« Ihr Flüstern war eindringlich.
»Das weiß ich, Liebling.« Er machte sich daran, sie mit Wasser zu benetzen. Und wenn es das Kind des Papstes wäre, würde es mich nicht kümmern. Mir liegt einzig und allein an dir! Greysteel wusch auch die Stellen mit den Bläschen, anstatt sie auszusparen, doch er tat es mit größter Behutsamkeit.
»Du sollst jetzt ausruhen und versuchen zu schlafen. Das wird dir Kraft für das Bevorstehende geben.«
Sie nickte und schloss die Augen, befriedigt, dass ihr Kind nicht in Gefahr war.
Greysteels Appetit wuchs mit jedem Tag. Er aß immer am Ende der Treppe, wo Mr Burke ihm das Essen hinterließ, da er nicht wollte, dass die Gerüche Velvet Übelkeit bereiteten. Sie hatte schon zu viel erbrochen.
Heute lag ein Brief neben seinem Ale-Humpen. Er griff danach und sah, dass er von Christian Cavendish an Velvet gerichtet war. Er ging ins Schlafgemach zurück, traf seine Frau aber schlafend an. Nach kurzem Zögern beschloss er, das Schreiben zu öffnen. Auch wenn sie beim Erwachen klar im Kopf wäre, würde sie ihn bitten, ihr den Brief vorzulesen.
Er setzte sich in den Sessel neben sie und öffnete den Umschlag.
Teuerste Velvet,
als ich von Princess Marys tragischem Blatterntod hörte, eilte ich nach Whitehall und erfuhr von Emma, dass Du nach Roehampton gefahren wärest, um Deinen Mann vor der
Weitere Kostenlose Bücher