Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
entdeckte sie, dass ihre Urgroßmutter geradezu atemberaubend kühne Dinge geschrieben hatte. Als sie nach zwei Stunden das Buch weglegte, sah sie Bess in einem völlig neuen Licht. Ihre Urgroßmutter war eine Frau gewesen, die sich ihre eigenen Regeln schuf und ihr Leben und die Männer beherrschte, anstatt ihnen das Regiment zu überlassen.
Velvet dachte an Greysteel Montgomery. Ungebeten war er jahrelang in ihren Träumen aufgetaucht, doch der leibhaftige Mann, der aus ihm geworden war, übertraf die Traumversion bei weitem. Gefalle ich ihm wirklich, oder steckt ein anderes Motiv dahinter? Sie wusste, dass er dominierend und gebieterisch war. Vielleicht ist er entschlossen, mein Ehemann zu werden, nur um die Pläne unserer Väter zu durchkreuzen. Tief in ihrem Inneren wollte sie nicht, dass dies stimmte. Sie wollte, dass Montgomery sein Herz an sie verlor.
Wenn ich ihn dazu bringen könnte, mich um meiner selbst willen zu lieben, würde ich ihn heiraten wollen? Der Gedanke ließ sie wohlig erschauern, und ihr wurde klar, wie verwundbar sie war, wenn es um diesen dunklen, attraktiven Teufel ging. Um sich zu schützen, hob Velvet ihr Kinn und erklärte laut: »Es wäre eine Ehe ohne Liebe – mein Herz gehört Charles Stuart.«
Sie dachte an Charles’ Worte. Kleine Unschuld! Den Luxus der Liebe kann ich mir nicht leisten. Sie dachte an Bess’ bombensicheren Rat, sich einen Mann zum Sklaven zu machen. Man muss ihn im Ungewissen lassen, indem man ihn mit einer Hand anlockt und mit der anderen abweist! Velvet lächelte insgeheim.
Montgomery hatte einen geschäftlich erfolgreichen Tag hinter sich. An der Londoner Wollbörse verkaufte er die Hälfte der Frühjahrsschur um einen höheren Preis, als ihn die Montgomerys jemals zuvor erzielt hatten. Wolle stieg momentan im Preis, und er setzte darauf, in der kommenden Woche die Ballen, die im Lagerhaus warteten, noch besser an den Mann bringen zu können.
Am Dienstag suchte er Samuel Lawson am Temple auf und erwarb auf den Rat des Goldschmiedes hin ein paar Anteile der Bermudas Company, eines Unternehmens in der Neuen Welt. Er kehrte in sein Kontor zurück, um einen Brief an seinen Vater und einen Geschäftsbericht an ihren Verwalter zu schreiben
Kaum hatte er dies erledigt, als ein Besucher erschien. Der Mann, kaum älter als er selbst, wettergegerbt, von drahtiger Statur, besaß scharfe Augen. Der Kurier General Moncks ist gekommen.
»Montgomery? Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Sir. Ein gemeinsamer Bekannter meinte, ich könnte Euch zu Diensten sein.«
Greysteel hörte eine gewisse Klangfärbung aus den Worten heraus, schottisch war diese aber nicht. »Mir zu Diensten?«
»Meine Spezialität ist die Übermittlung von Nachrichten.«
Montgomery war nicht gewillt, den Brief auszuhändigen, ehe er keinen Beweis dafür hatte, dass es sich um den erwarteten Kurier handelte. »Hat dieser gemeinsame Bekannte einen Namen, Sir?«
»Mr Burke, obwohl ich es unter der Folter leugnen würde«, sagte der junge Mann grinsend. »Royalisten müssen vorsichtig sein.«
Montgomery, der ein wenig überrumpelt wurde, erkannte plötzlich den Akzent. »Ihr kommt von der Isle of Jersey?« Er wusste, dass Carteret, der Gouverneur von Jersey, eingefleischter Royalist war.
»Seemann Spencer, Steuermannsmaat auf der Fregatte Proud Eagle , die in Blackfriars ankert. Auf der Themse liegt immer irgendwo ein Carteret-Schiff, das bereit ist, rasch eine vertrauliche Nachricht über den Kanal zu befördern.«
Montgomery grinste. »Wenn es nicht einem holländischen Kauffahrer nachstellt oder darauf wartet, eines der Schiffe von Cromwells Flotte zu versenken! Ich danke für das Angebot, Spencer. Es könnte sein, dass ich Eure Dienste in Anspruch nehme.«
»Wir segeln morgen mit der Mitternachtsflut.«
Am gleichen Abend erschien nach Einbruch der Dunkelheit Moncks Mann. Er trug die Uniform der Armee der Parlamentarier und präsentierte einen Brief, der ihn als Kurier auswies. Eine Unterschrift gab es nicht, doch das Schreiben trug das Amtssiegel der Stadt Edinburgh.
Montgomery schloss die Schreibtischlade auf und holte seinen versiegelten Brief hervor. Da er davon ausging, dass der Kurier den Schlüssel der Geheimschrift nicht kannte, schrieb er General George Monck neben das Wachssiegel und übergab den Brief. Nachdem der Kurier gegangen war, verschloss er die Tür und löschte das Licht. Im Dunkeln sitzend überlegte er lange und angestrengt, ob er an Charles Stuart
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