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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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dunkel, sah zu seiner kleinen Schwester auf und sorgte für sie. Sie ihrerseits war achtzehn Monate jünger, blond, aufgeweckt und selbstbewußt … wo hatte ich diese beiden bloß vorher schon gesehen? In unseren Kinderfilmen, wo sonst. Aber wenn sie wie wir waren, Gill und ich, warum sprachen sie dann halb französisch und halb englisch? Und was sollte ich für sie sein, ein Bruder, eine Art dritter Elternteil oder etwas dazwischen, ein AzubiMittelsmann aus der Erwachsenenwelt? Und wie war’s möglich, daß es einen Swimmingpool und einen beständigen Vorrat an Cola im Kühlschrank gab? Ich liebte und ich haßte es, und ich wollte mit dem nächsten Flugzeug nach Hause fliegen und zugleich doch den Rest des Sommers über bleiben.
      Als ich dann zurückgekehrt war, mußte ich einen modus vivendi finden, der mir die nächsten paar Jahre über dienen konnte. Ich dachte, es wäre am klügsten, wenn ich sicherstellte, daß die neue Welt niemals in der alten erwähnt wurde, wobei es ohnehin nicht viel gebracht hätte, sich über das Fehlen eines Swimmingpools in unserem winzigen Garten hinter dem Haus zu beschweren. So wurde ein gewaltiger und bedeutsamer Teil meines Lebens gänzlich und friedlich von einem anderen ferngehalten, ein Arrangement, das ideal dazu geeignet war, in einem eh schon verwirrten Teenager Verlogenheit, Selbsttäuschung und Schizophrenie zu erzeugen.
      Als sich meine Stiefmutter beim Spiel gegen Wolverhampton direkt neben mich setzte, war es, als sei Elsie Tanner direkt ins Crossroads Motel marschiert. Das Auftreten eines Bewohners der einen Welt im Zentrum der anderen nahm irgendwie beiden Welten die Realität. Und dann fing Arsenal an, zentimetergenaue Flachpässe über den ganzen Platz zu schlagen. Unsere Verteidiger gaben sich im gegnerischen Strafraum ein Stelldichein und überlobbten den gegnerischen Torwart mit Cruyffscher Präzision, und mein Verdacht, die Welt sei verrückt geworden, wurde bestätigt. Ich saß gemütlich neben dem Feind, Arsenal hielt sich weiterhin für die Niederlande, und mit etwas Mühe hätte ich mit Sicherheit ein paar Schweine friedlich über dem Stadion dahinschweben sehen.
    Einige Monate später wurden wir in Derby 0:5 niedergemacht und verfielen sofort in unsere alten, verbissenen, beruhigenden Eigenarten. Die Tatsache, daß das Experiment so kurz gewesen war, verstärkte nur den Eindruck, daß all das eine besonders raffinierte Metapher gewesen war, in meinem Interesse erdacht und in dem Moment verworfen, in dem ich sie verstanden hatte.

Eine Sache auf Leben und Tod

    Crystal Palace gegen Liverpool – Oktober 1972

    Der Fußball hat mich einiges gelehrt. Ein Großteil meiner Kenntnisse über Orte in Großbritannien und Europa stammt nicht aus der Schule, sondern von Auswärtsspielen oder den Sportseiten, und der Hooliganismus hat mir sowohl eine Vorliebe für Soziologie als auch ein gewisses Maß an Erfahrung in Sachen Feldarbeit gegeben. Ich habe den Wert kennengelernt, den es hat, Zeit und Gefühle in Dinge zu investieren, die ich nicht kontrollieren kann, und zu einer Gemeinschaft zu gehören, deren Erwartungen ich vollständig und unkritisch teile. Und bei meinem ersten Besuch mit meinem Freund Frog in Selhurst Park sah ich eine Leiche, noch immer meine erste und einzige, und lernte ein klein wenig über, nun ja, das Leben selbst.
      Als wir nach dem Spiel in Richtung Bahnhof gingen, sahen wir einen Mann auf der Straße liegen, zum Teil von einem Regenmantel bedeckt, mit einem blau-roten Palace-Schal um seinen Hals. Ein Mann saß über ihn gebückt da, und wir beide überquerten die Straße, um einen genaueren Blick darauf zu werfen.
    »Ist er okay?« fragte Frog.
      Der Mann schüttelte den Kopf. »Nee. Tot. Ich lief gerade hinter ihm her, und er ist umgekippt.«
      Er sah tot aus. Er war grau und für unsere Begriffe unvorstellbar bewegungslos. Wir waren beeindruckt.
    Frog spürte eine Geschichte, die nicht nur die achte Klasse, sondern auch einen guten Teil der neunten interessieren würde. »Wer hat ihn umgelegt? Liverpooler?«
      An diesem Punkt verlor der Mann die Geduld. »Nein. Er hatte einen Herzinfarkt, ihr kleinen Rotzlöffel. Jetzt verpißt euch.«
      Wir gehorchten, und das war das Ende des Zwischenfalls. Doch er war seitdem nie weit aus meinem Gedächtnis, mein einziges Bild des Todes, ein Bild, das belehrt. Der Palace-Schal, ein banales und vertrautes Detail, das Timing (nach dem Spiel, aber mitten in der Saison), der Fremde,

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