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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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deshalb trotz all dieser Erfahrungen vollkommen unverändert. Durch die Drehkreuze der Nordtribüne zu spazieren, war bis in meine Mittzwanziger das einzige Mal, soweit ich mich erinnern kann, daß ich bewußt den Stier bei den Hörnern gepackt habe. (Natürlich ist das hier nicht der Ort, all die Stiere durchzugehen, die ich bis dahin eigentlich an den Hörnern hätte packen sollen, aber ich weiß zumindest, daß mich die Tatsache damals nicht störte.) Ich wollte es durchziehen, doch zugleich hatte ich, erbärmlicherweise, ein wenig Angst. Der einzige Moment, der bis dahin in meinen Augen mein Leben veränderte, hatte etwas damit zu tun, auf einem anderen Stück Asphalt als sonst zu stehen, doch die Tatsache, daß ich mich dazu durchgerungen hatte, etwas zu tun, was ich nur halben Herzens wollte, und daß alles letztlich gut ausging … das war wichtig für mich.
    Eine Stunde vor Anpfiff war die Aussicht von meinem Platz spektakulär. Keine Ecke des Spielfelds war verdeckt, und sogar das gegenüberliegende Tor, dessen Anblick ich mir winzig vorgestellt hatte, war ziemlich klar erkennbar. Um drei konnte ich allerdings nur noch einen kleinen Streifen des Platzes sehen, einen schmalen Grastunnel, der sich vom nahegelegenen Strafraum bis zur Torauslinie am anderen Ende erstreckte. Die Eckfahnen waren vollständig verschwunden, und auf das Tor vor meiner Tribüne konnte ich nur einen Blick werfen, wenn ich im entscheidenden Moment hochsprang. Immer wenn auf unserer Seite knapp danebengeschossen wurde, taumelte die Menge nach vorne. Ich wurde gezwungenermaßen sieben oder acht Stufen die Tribüne hinuntergespült, und wenn ich mich umsah, schien meine Einkaufstasche, in der sich mein Pro gramm und mein DAILY EXPRESS befanden und die ich zu meinen Füßen abgestellt hatte, Meilen entfernt, so wie ein Handtuch am Strand, während du in wildbewegter See bist. Ich habe das einzige Tor des Spiels gesehen, ein Volleyschuß von George Graham aus etwa fünfundzwanzig Metern, aber nur weil es vor der Gästetribüne fiel. Ich liebte die Nordtribüne, ganz klar. Ich liebte die verschiedenen Arten von Lärm: den förmlichen, rituellen Lärm, als die Spieler auftauchten (die Namen der Spieler wurden, beim Publikumsliebling beginnend, der Reihe nach skandiert, bis sie mit einem Winken reagierten), das spontane, formlose Gebrüll, wenn etwas Aufregendes auf dem Platz passierte, die wiederauflebende Kraft der Gesänge nach einem Tor oder einer Phase anhaltenden Angriffsdrucks. (Und selbst hier, unter jüngeren, weniger verbitterten Männern, jenes Fußballmurren, wenn es schlecht lief.)
      Nach meiner anfänglichen Besorgnis wuchsen mir die Bewegungen auf der Tribüne ans Herz, die Art, wie ich in Richtung Spielfeld geschleudert und dann zurückgesaugt wurde. Und ich liebte die Anonymität: Ich wurde letztlich doch nicht entlarvt. Ich blieb die nächsten siebzehn Jahre.

    Heute gibt es keine Nordtribüne mehr. Der Taylor-Report sprach die Empfehlung aus, daß Fußballstadien, nach Hillsborough, nur noch Sitzplätze haben sollten, und die Fußballclubs haben sich alle entschieden, dieser Empfehlung zu folgen. Im März 1973 habe ich in Highbury mit dreiundsechzigtausend anderen Menschen ein Wiederholungsspiel im FA Cup gegen Chelsea verfolgt; Zuschauerzahlen dieser Größenordnung sind nicht mehr möglich, in Highbury oder irgendeinem anderen Stadion außer Wembley. Sogar noch 1988, dem Jahr vor Hillsborough, hatte Arsenal in einer Woche zweimal fünfundfünfzigtausend Zuschauer, und das zweite Spiel, das Halbfinale im LittlewoodsCup gegen Everton, ist aus heutiger Sicht wohl die letzte Partie, die in meiner Erinnerung das Erlebnis Fußball wirklich verkör pert: Flutlicht, stürmischer Regen und ein gewaltiges, rollendes Tosen das gesamte Spiel hindurch. Also, ja, selbstverständlich ist es traurig, denn auch wenn die Fußballzuschauer möglicherweise allem zum Trotz eine neue elektrifizierende Atmosphäre erschaffen können, werden sie nie mehr in der Lage sein, die alte wieder aufleben zu lassen, die riesige Menschenmassen benötigte und eine Umgebung, in der sich diese Massen zu einem riesigen, reagierenden Körper formieren konnten.
      Noch trauriger ist allerdings die Art, wie Arsenal den Umbau seines Stadions finanzieren will. Die Partie gegen Ipswich anzusehen, kostete mich 25 Pence. Aber Arsenals System der Schuldverschreibung bedeutet, daß der Zutritt zur Nordkurve ab September 93 ein Minimum von 1100 Pfund zuzüglich des

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