Fever Pitch
und Leeds ziemlich weit unten auf ihrer Liste gehabt hätten. Die Jubiläumsfeierlichkeiten im Vorfeld des Spiels (ich hatte wie üblich meinen Platz auf den Stehrängen gute neunzig Minuten vor dem Anpfiff eingenommen), die darin bestanden, daß Vertreter all der anderen Pokalfinalisten hinter Bannern um das Spielfeld marschierten, schienen auf einmal eine nahezu satirische Absicht verfolgt zu haben. Du erinnerst dich an das Matthews-Finale 53? Wie Bert Trautmann 56 mit einem Genickbruch im Tor spielte? Tottenhams Double-Team 61? Evertons Aufholjagd 66? Osgoods Flugkopfball 70? Jetzt schau dir Storey und Bremner an, wie sie versuchen, sich gegenseitig Fetzen aus den Oberschenkeln zu meißeln. Die Freudlosigkeit des Spiels verschärfte die Anspannung in meinem Bauch, sie war ganz genauso kräfteraubend wie bei der Partie gegen Swindon drei Jahre zuvor. Wenn sich niemand um irgendwelche Feinheiten des Spiels scherte (und es gab Phasen, in denen sogar der Ball zur Nebensache zu werden schien), wurde das Erringen des Pokals noch wichtiger, denn es gab nichts, was einen auf andere Gedanken brachte.
Zu Beginn der zweiten Hälfte schlängelte sich Mick Jones zur Torauslinie und flankte auf Allan Clarke, der mit einem lächerlich mühelosen Kopfnicken verwandelte. Es war unvermeidlicherweise das einzige Tor des Spiels. Wir trafen den Pfosten oder die Latte oder sonstwas, und ein Schuß wurde von der Torlinie gekickt, doch das waren ominöse Pokalfinalmomente, nicht ernst zu nehmen. Man konnte sehen, daß den Arsenalspielern die Zwecklosigkeit ihrer Bemühungen bewußt war.
Als das Spielende nahte, stählte ich mich für den Kummer, der mich, wie ich wußte, mit Haut und Haaren verschlingen würde, genau wie nach der Partie gegen Swindon. Ich war fünfzehn, und die Möglichkeit zu weinen stand, anders als 1969, nicht zur Debatte. Ich kann mich an ein leichtes Einknicken meiner Knie erinnern, als der Schlußpfiff ertönte. Es tat mir nicht wegen des Teams oder der anderen Fans leid, sondern meinetwegen, wobei mir heute bewußt ist, daß alles Fußballeid diese selbstmitleidige Form annimmt. Wenn unsere Mannschaften in Wembley verlieren, denken wir an die Kollegen und Klassenkameraden, denen wir am Montagmorgen gegenübertreten müssen und an den Freudentaumel, der uns verwehrt geblieben ist, und es scheint unvorstellbar, daß wir uns eine derartige Verletzlichkeit jemals wieder erlauben werden. Ich spürte, daß ich nicht tapfer genug war, um ein Fußballfan zu sein. Wie konnte ich in Erwägung ziehen, all dies erneut durchzumachen? Würde ich für den Rest meines Lebens alle drei oder vier Jahre nach Wembley kommen und mich so am Ende so fühlen?
Ich bemerkte einen Arm um meine Schultern und nahm zum ersten Mal wahr, daß ich direkt neben drei Leedsfans stand, einem alten Mann, seinem Sohn und seinem Enkel.
»Laß es gut sein, Junge«, sagte der alte Mann. »Sie werden wiederkommen.« Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, daß er mich festhielt, bis der erste und intensivste Jammeranfall vorbei war und ich die Kraft in meinen Beinen wiedergewonnen hatte. Beinahe unmittelbar danach rempelten sich ein paar stoppelköpfige Arsenalfans mit unverkennbarem und unheilverkündendem Zorn in den Augen den Weg durch die Menge auf uns zu. Ich trat zurück, und sie rissen den Leedsschal an sich, der um den Hals des kleinen Jungen geschlungen war. »Gebt den Schal auf der Stelle zurück«, sagte sein Dad, aber nur weil er wußte, daß derjenige, der nichts gesagt hätte, ein schwacher Vater war, nicht in Erwartung irgendeines Erfolges. Es kam zu einem kurzen Trommelhagel der Fäuste, und die zwei älteren Männer taumelten zurück, und ich blieb nicht in der Nähe, um herauszufinden, wie sehr sie vermöbelt wurden. Ich rannte in Richtung des Durchgangs und ging direkt nach Hause, verängstigt und voller Überdruß. Das war wirklich die einzige Art, auf die das einhundertste Pokalfinale enden konnte.
Eine neue Familie
Arsenal gegen Wolverhampton – 15.8.72
Im Verlauf des Sommers 1972 änderten sich die Dinge. Arsenal, das allerbritischste (soll heißen, das mürrischste und aggressivste) Team, das man sich vorstellen kann, überraschte uns mit einer Hinwendung zum kontinentalen Stil und beschloß, für ein halbes Dutzend Spiele zu Beginn der Saison 72/73 »totalen« Fußball zu spielen. (Das war, im Interesse all jener, die nur eine verschwommene Vorstellung von Fußballtaktik haben, eine niederländische
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