Fever Pitch
der besorgt, aber letztlich gleichgültig Aufmerksamkeit zollt. Und natürlich die zwei idiotischen Teenager, die die kleine Tragödie mit ungenierter Faszination, ja Ausgelassenheit beglotzen.
Die Aussicht, mitten in der Saison so zu sterben, beunruhigt mich, aber natürlich werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwann zwischen August und Mai sterben. Wir haben die naive Erwartung, daß wir, wenn wir abtreten, keine losen Enden herumliegen lassen. Wir werden unseren Frieden mit den Kindern gemacht haben, sie glücklich und gefestigt zurücklassen, und wir werden mehr oder weniger alles, was wir in unserem Leben erreichen wollten, erreicht haben. Das ist natürlich alles Blödsinn, und Fußballfans, die über die Sterblichkeit nachdenken, wissen, daß es alles Blödsinn ist. Es wird Hunderte von losen Enden geben. Vielleicht sterben wir in der Nacht, bevor unser Team in Wembley aufläuft oder am Tag nach einem Europapokalhinspiel oder während der entscheidenden Phase des Aufstiegskampfes oder einer umkämpften Partie gegen den Abstieg, und dann müssen wir davon ausgehen, jedenfalls wenn man vielen Theorien über das Leben nach dem Tod folgt, daß wir außerstande sein werden, letztlich das Ergebnis rauszukriegen. Der ganze Witz am Tod ist, daß er, metaphorisch gesprochen, fast zwangsläufig eintritt, bevor die wichtigsten Trophäen verliehen worden sind. Der Mann, der da auf dem Gehsteig lag, würde, wie Frog auf dem Heimweg bemerkte, nicht mehr mitbekommen, ob Palace in jener Saison den Klassenerhalt geschafft hat oder nicht. Und wahrscheinlich hat er auch nicht mitbekommen, daß sie im Verlauf der nächsten zwanzig Jahre weiterhin als Fahrstuhlmannschaft zwischen den Divisionen herumgehüpft sind, daß sie ihre Farben ein halbes dutzendmal geändert und schließlich ihr erstes FA-Cup-Finale erreicht haben, oder daß sie zu guter Letzt mit dem kreuz und quer über ihre Hemden gekleisterten Schriftzug »Virgin« herumgerannt sind. Aber so ist das Leben.
Ich will nicht mitten in der Saison sterben, aber ich bin, denke ich, andererseits einer von denen, die glücklich wären, wenn ihre Asche über dem Rasen von Highbury verstreut würde. (Obwohl ich verstehe, daß es Beschränkungen gibt. Zu viele Witwen setzen sich mit dem Club in Verbindung, und es bestehen Befürchtungen, daß die Grasnarbe nicht allzu gut auf den Inhalt von unzähligen Urnen reagieren würde.) Es ist schön, sich vorzustellen, daß ich in irgendeiner Form im Stadion herumhängen und einen Samstag der ersten Mannschaft zusehen könnte und am nächsten dem Reserve-Team. Mir würde es Wohlbehagen bereiten, wenn meine Kinder und Enkel Arsenalfans wären und ich mit ihnen zuschauen könnte. Das scheint mir keine schlechte Art, die Ewigkeit zu verbringen, und ganz sicher werde ich lieber auf der Westtribüne verstreut als im Atlantik versenkt oder über einem verlassenen Berg ausgeschüttet zu werden.
Ich will allerdings auch nicht unmittelbar nach dem Spiel sterben (wie Jock Stein, der Sekunden, nachdem Schottland Wales geschlagen und sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert hatte, starb, oder wie der Vater eines Freundes, der vor ein paar Jahren bei einem Spiel zwischen Celtic und den Rangers das Zeitliche segnete. In gewisser Weise scheint das übertrieben, als ob Fußball die einzige passende Umgebung für den Tod eines Fußballfans wäre. (Und ich spreche hier, natürlich, nicht vom Tod in Heysei, Hillsborough, Ibrox oder Bradford, denn das waren Tragödien einer vollkommen anderen Kategorie.) Ich will nicht, daß man sich mit einem Kopfschütteln und einem liebevollen Lächeln an mich erinnert, mit dem man andeutet, daß das die Art von Abgang ist, die ich gewählt hätte, wenn mir die Wahl geblieben wäre; da ziehe ich ein ernstzunehmendes Ende der plumpen Symbolik jederzeit vor.
Also laßt uns das klarstellen. Ich will den Löffel nicht nach einem Spiel in der Gillespie Road abgeben, weil man meiner dann möglicherweise als Spinner gedenken würde, doch ich will, versponnenerweise, als Geist in Highbury herumschweben und bis ans Ende aller Zeit die Spiele der Reservemannschaft anschauen. Und diese zwei Wünsche – die, wie ich mir vorstellen könnte, für Menschen ohne entsprechende Fixierungen auf den ersten Blick unfaßbar widersprüchlich sind – charakterisieren in gewisser Weise Besessene und beinhalten ihr Dilemma. Einerseits hassen wir es, gönnerhaft herablassend behandelt zu werden. (Es gibt einige Leute, die mich
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