Fever Pitch
abgestiegen ist.
8. Sonntag vormittags, nur ein paar Stunden, nachdem er von wo immer er am Samstagnachmittag auch gewesen war, zurückgekehrt ist, spielt er für Bushey »B« (ein Team, dem das Unglück widerfuhr, zwei Punkte abgezogen zu bekommen, weil der Hund des Torwarts einen Ball auf der Linie stoppte) in der Maccabi League, obwohl er zuletzt disziplinäre Probleme sowohl mit seinem Trainer als auch mit Schiedsrichtern gehabt hat, und zur Zeit, da ich das schreibe, gesperrt ist.
Diese Litanei enthält eine Wahrheit über Neil, aber nicht die Wahrheit, die darin besteht, daß er eine fröhliche und ironische Sicht auf seine eigenen Exzesse hat und von ihnen spricht, als ob sie zu irgendeinem anderen gehören würden – vielleicht zu seinem jüngeren Bruder. Und außerhalb von Kenilworth Road ist er charmant, interessiert und immer höflich, zumindest zu Fremden, also ist die Raserei, die ihn an Samstagen unveränderlich befällt, ausschließlich von Luton erzeugt.
Luton ist kein großer Club und hat nicht viele Fans – die Zuschauerzahlen bei Heimspielen liegen zwischen einem Drittel und einem Viertel derjenigen von Arsenal. Was denkwürdig daran war, mit ihm dieses Spiel anzusehen, war nicht der Fußball, der in einem tristen l:l-Unentschieden endete, nachdem Davis uns in Führung gebracht hatte, sondern das Gefühl des alleinigen Eigentumsrechts, das von jemandem ausgeht, der zu seiner eigenen Befriedigung Besitz von dem Club ergriffen hat. Als wir zu unseren Sitzen gingen, schien es so, als ob Neil vielleicht ein Drittel der Zuschauer persönlich kannte und mit der Hälfte davon für einen kurzen Plausch stehenblieb. Und wenn er zu Auswärtsspielen reist, tut er das nicht als Staubkorn in einer riesigen Invasionstruppe, sondern als sichtbares und wiederzuerkennendes Gesicht in einem abgerissenen Haufen von ein paar hundert Leuten – bei einigen der problematischsten Ansetzungen Mitte der Woche sind es vielleicht sogar noch weniger.
Aber das ist für ihn ein Teil der Anziehungskraft: Er ist der Lord von Luton, der König der Kenilworth Road. Wenn seine Freunde an einem Samstag deshalb die Ergebnisse im Radio, im Fernsehen oder über die Lautsprecheranlagen anderer Ligastadien hören, denken sie einfach »Neil Kaas«, wenn sie das Ergebnis von Luton hören. Neil Kaas 0, Liverpool 2, Neil Kaas durch ein Tor in der letzten Minute vor dem Abstieg gerettet, Neil Kaas gewinnt den Littlewoods Cup …
Und das ist auch eine Anziehungskraft, die der Fußball auf mich hat, obwohl ich für mich niemals in Anspruch nehmen könnte, auf die Weise eine Definition von Arsenal zu sein, auf die Neil und Luton einander definieren. Diese Anziehungskraft ist im Verlauf der Jahre langsam zum Vorschein gekommen, hat aber dennoch einen gewaltigen Reiz: Mir gefällt der Gedanke, daß sich Leute auf einer geregelten Basis an mich erinnern.
Ich weiß, daß das passiert. Am Abend des 26. Mai 1989 kam ich in meine Wohnung zurück, nachdem ich bis tief in die Nacht gezecht hatte, und fand vierzehn oder fünfzehn telefonische Mitteilungen von Freunden überall in England und Europa, von denen ich mit einigen monatelang nicht gesprochen hatte. Am Tag nach einer Katastrophe oder einem Triumph Arsenals erhalte ich häufig Telefonanrufe von Freunden, auch von NichtFußballfreunden, die durch eine Zeitung oder einen zufälligen, müßigen Blick auf einen Sportüberblick am Ende einer Nachrichtensendung daran erinnert wurden, Verbindung mit mir aufzunehmen. (Um das Ganze zu bestätigen: Ich ging gerade nach unten, um die Post zu holen, und da war eine Postkarte, ein kleines Dankeschön von einer Freundin, der ich vor ein paar Wochen in banaler, unspektakulärer Weise beigestanden hatte und von der ich seitdem nichts mehr gehört habe. Zuerst war ich verwirrt, wieso sie mir jetzt dankte, lange nach dem fraglichen Vorfall – ich erwartete es nicht von ihr –, doch das P.S. am Ende, »Tut mir leid für Arsenal«, dient als Erklärung.)
Auch wenn du weißt, daß alles – Mickey Rourke, Rosenkohl, die U-Bahnstation Warren Street oder Zahnschmerzen, die Assoziationen, die Leute mit dir verbinden mögen, sind endlos und persönlich – dazu führen kann, jemand auf eine Kette von Gedanken zu bringen, die bei dir endet, hast du keine Ahnung, wann das passieren könnte. Es ist nicht voraussehbar und willkürlich. Mit dem Fußball gibt es diese Zufälligkeiten nicht: Du weißt, daß du an Abenden wie dem Abend der Meisterschaft 89
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