Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
Vom Netzwerk:
weiterzukommen.
    Sein Talent war schon sehr ausgeprägt, deswegen hatte man ihn zum Hüter gemacht.
    Aber es fehlte ihm an Erfahrung.
    Die Hütte der Hüter war eine der größten im Schattenland. Abgesehen vom Hauptraum gab es noch mehrere kleine Zimmer, die meisten waren mit den Beuteln der Rotkappen gefüllt, in denen sich die Reste der verwerteten Toten befanden. Sie waren ursprünglich für Experimente bestimmt gewesen, aber man hatte sie irgendwie vergessen. Es gab auch Betten und Geräte, aber Streifer konnte sie nicht bedienen.
    Im größten Raum standen der lange Tisch, Stühle für alle Hüter und ein Kamin. Solange Caseo ihr Anführer gewesen war, hatte hier immer ein Feuer gebrannt, aber seit Rotin seinen Platz eingenommen hatte, ging es immer häufiger aus. Streifer hegte den Verdacht, daß der Verlust des ursprünglichen Feuers auch die Leistungsfähigkeit der Hüter beeinträchtigte.
    Die anderen Hüter beklagten sich jedoch nicht, und Streifer stand mit seinen Ansichten ganz allein. Die meiste Zeit über verhielten sich die Hüter so, wie sie es jetzt auch taten: Sie starrten die Wände an und warteten auf das baldige Ende der Versammlung. Für Streifer waren sie nur noch irgendwelche Gesichter, keine Kollegen.
    Früher, zu Caseos Lebzeiten, hatten sich die Hüter jeden Tag getroffen und hitzige Debatten geführt. Zaubern war eine gemeinschaftliche Kunst, von Eifersüchteleien und Unsicherheiten begleitet, aber es war auch faszinierend. Jetzt versenkten sich die Hüter in einsame Grübeleien, während sie darauf warteten, daß Rotin die Versammlung aufhob.
    Wenn sie mit ihren Kräutern beschäftigt war, vergaß sie das jedoch häufig.
    Streifer erhob sich und unterbrach die Stille, indem er seinen Stuhl quietschend zurückschob.
    »Wir sind noch nicht fertig, Streifer«, sagte Rotin mit schwerer Zunge.
    »Ich bin fertig«, entgegnete er. Er hielt es keinen Moment länger aus. Er drückte sich hinter den Lehnen der anderen Hüter vorbei und verließ den Raum.
    Verglichen mit der Kälte in der Hütte wirkte der Grauschleier über dem Schattenland warm und tröstlich. Streifer trat über die hölzerne Schwelle, vorbei an der Stelle, an der Caseo verblutet war, nachdem ihn diese verrückte Rotkappe erstochen hatte, und setzte sich auf die Stufen. Er vermied es, direkt mit der Stelle in Berührung zu kommen. Die Domestiken hatten das Blut schon längst aus dem Holz entfernt, aber Streifer konnte es immer noch sehen, so wie er immer noch Caseos Leiche vor sich sah, wenn er die Augen schloß.
    Wäre Caseo noch am Leben, säße er, Streifer, gewiß nicht an diesem grauen, windlosen Ort mit all den tatenlosen Hütern fest. Caseo hatte es als persönliche Beleidigung empfunden, daß es ihm noch nicht gelungen war, das Gift der Inselbewohner zu neutralisieren. Nacht für Nacht war er damit beschäftigt gewesen, der Lösung des Rätsels auf die Spur zu kommen.
    Bevor Streifer die Lösung finden würde.
    Streifer arbeitete zwar immer noch daran, aber es fehlte ihm an der nötigen Erfahrung. Er versuchte, sich die einfachsten Zaubertricks beizubringen, aber niemand nahm sich die Zeit, ihm etwas zu zeigen. Als er Rotin einmal darum gebeten hatte, hatte sie ihn ausgelacht.
    Das ist die Gelegenheit, dich als der beste Hüter aller Zeiten zu beweisen, Junge. Bring’s dir selbst bei.
    Erst nach Caseos Tod hatte er verstanden, daß Rotin ihn ebenfalls haßte.
    Durch die dumpfe Stille der Schattenlande dröhnte eine zuschlagende Tür. Das Geräusch wurde von den unsichtbaren Wänden zurückgeworfen. Dieser Platz war so hohl wie ein Felsspalt. Streifer würde sich wohl niemals daran gewöhnen. Einen Moment später sah er Rugar, und dieser Anblick überraschte ihn.
    Rugar befand sich offiziell in Trauer. Jewels Tod hatte alle Fey außer den Hütern schwer getroffen. Als Streifer nach ihrem Tod darauf gedrängt hatte, endlich das Geheimnis des Giftes zu enträtseln, hatte Rotin ihn ausgelacht.
    Dafür ist es jetzt ein bißchen spät, oder? Bei Rugar kannst du jetzt keine Punkte mehr holen, wenn du Jewel retten willst. Sie ist tot. Und von Auferstehungen lassen wir schön brav die Finger.
    Wie immer hatte sie ihm die Worte im Mund herumgedreht und weiter nichts unternommen. Die anderen Hüter hatten ihn nicht unterstützt. Sie alle haßten es, mit dem Gift zu arbeiten. Sie waren fest davon überzeugt, daß allein die Berührung der Fläschchen tödlich wirken könnte. Sie schienen ganz zufrieden damit, für den Rest ihres

Weitere Kostenlose Bücher