Fey 05: Der Schattenrpinz
dem Hemd, streifte es über den Kopf und schlüpfte dann hastig in die Hose. Noch während er sie zuknöpfte, öffnete er die Tür und wünschte sich insgeheim, daß Luke noch immer bei ihm lebte.
Aber zumindest Coulter war da. Im Korridor blieb Adrian vor Coulters Zimmer stehen und stieß hastig die Tür auf.
Wie immer war alles tadellos aufgeräumt. Coulter achtete auf peinliche Ordnung, als habe er Angst, daß Adrian ihn wegen Schlampigkeit hinauswarf. Nicht einmal das Bett war zerwühlt. Die Decke war exakt im rechten Winkel zurückgeschlagen, der Abdruck im Kissen wirkte wie eingraviert. Coulter war zu Bett gegangen und bereits wieder aufgestanden.
Adrian ging weiter den Korridor entlang. In der Küche war es von der Backwut, die Adrian vor einigen Stunden überkommen hatte, immer noch warm. Die Hintertür stand offen, und er trat vorsichtig in den Garten hinaus.
Die Wiese war feucht vom Tau. Das Mondlicht spiegelte sich in den winzigen Tröpfchen, und das Gras sah aus wie von einer Eisschicht bedeckt. Die Feuchtigkeit hinterließ ein angenehmes Gefühl an Adrians bloßen Zehen. Er warf einen Blick zurück. Seine Füße hinterließen dunkle Spuren auf dem silbernen Rasen.
»Das könnte es sein.« Die Stimme war leise, melodisch und männlich. Sie sprach Fey.
»Das will ich hoffen.« Die zweite Stimme war weiblich und hatte den typisch scharfen Unterton, den man bei Fey-Frauen häufig hörte. Ihre Fähigkeit, mit Nachdruck zu sprechen, machte vielleicht einen Teil ihrer Härte aus. »Wir können hier nicht jeden Inselbewohner aus seinem Bett holen. Nicht nach dem, was Kiana zugestoßen ist.«
Der Mann gab keine Antwort. Adrian ging am Rand der Wiese entlang, bis er über das Maisfeld spähen konnte. Der Mondschein beleuchtete die Straße, die in dem silbernen Licht wie ein schmutziger Trampelpfad aussah. Dort standen zwei Fey, hochgewachsen, schön und angriffslustig, wie alle Fey.
Er konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Die Frau war so jung, daß sie erst nach Adrians Flucht geboren sein konnte. Sie würde ihn nicht erkennen. Aber der Mann … Seine Haltung kam ihm eigenartig vertraut vor.
»Kannst du ihn nicht suchen und feststellen, ob wir hier richtig sind?« fragte die Frau.
Der Mann schwieg. Er blickte zum Haus hinüber. Seine Hände zitterten.
Adrian konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt einen furchtsamen Fey gesehen hatte.
»Du kannst herauskommen!« befahl der Mann.
Adrian, der die Luft angehalten hatte, atmete tief aus. Er erhob sich, bog den Mais zur Seite und trat auf die Straße. Der unbefestigte Weg unter seinen Füßen war hart. Ein Stein drückte sich in seine Fußsohle.
»Adrian!« sagte der Mann jetzt. Seine Stimme klang erleichtert. Er wandte sich seiner Begleiterin zu. »Wir haben sie gefunden.«
»Was willst du?« fragte Adrian.
»Ich bin es. Gabe.« Der Mann trat mit ausgestreckter Hand einen Schritt vor.
Adrian wich zurück. Er hatte sich geschworen, nie wieder in seinem Leben einen Fey zu berühren. Fledderer zählte nicht, der lehnte sein Fey-Erbe ab und verfügte außerdem nicht über Zauberkräfte. Die Fey hatten Tausende von Tricks, und viele davon wurden bei Berührung wirksam.
»Ich kann dein Gesicht nicht sehen«, gab Adrian zurück. »Ich habe keine Ahnung, wer du bist.«
Der Mann drehte sich ins Mondlicht. Es war das Gesicht von König Nicholas, aber eigenartig verzerrt, als hätte ein Künstler es nach Fey-Art verformt. Das Mondlicht hatte alle Farbe aus seinem Haar gesogen, was den ungünstigen Eindruck noch verstärkte.
»Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du ein kleiner Junge warst«, erwiderte Adrian. »Wie kann ich sicher sein, daß du es wirklich bist?«
»Ich habe dir damals geholfen, das Schattenland zu verlassen«, sagte Gabe. »Ich habe meinen Großvater von dir ferngehalten, als du vor den Hütern geflohen bist.«
»Daran kann sich jeder erinnern.«
»Ich habe dir gesagt, wo du Coulter findest.« Gabe drehte den Kopf, und seine Gesichtszüge veränderten sich. Die hohen Wangenknochen erinnerten an Jewel. Aber seine Augen glichen denen Nicholas’. Sie leuchteten klar im Mondlicht, Geisteraugen in einem Fey-Gesicht.
»Was willst du von uns?« Adrian verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um seine Nervosität zu verbergen.
»Ich muß Coulter sehen«, erklärte Gabe. »Ich brauche dringend seinen Rat. Es ist ein ziemliches Risiko für mich, hierherzukommen …«
»Das ist mir gleich«, antwortete Adrian barsch. »Ihr seid
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